Ein Anfang ist gemacht – vieles ist noch zu tun

Claudia Jancura

Seit Juli 2017 ist das Neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. In der Praxisumsetzung sind allerdings noch einige Dinge zu klären.

(Lesezeit: 6 Minuten)

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Das „Neue Prostituiertenschutzgesetz“, das seit Juli 2017 in Kraft ist, soll Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter vor Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt schützen. Die Umsetzung erfolgt durch das Gesundheitsamt, das Ordnungsamt und weitere Beratungsstellen.

Zentral ist seit Einführung des Gesetzes eine Meldepflicht für im Prostitutionsgewerbe Tätige. Nachdem das Sozialministerium bis Ende Oktober 2017 mangels Zuständigkeitsregelung die Ausführung des Gesetzes übernommen hatte, wird in Pforzheim diese Gesetzesvorgabe, inklusive zweier Beratungen, seit November 2017 umgesetzt.

Zunächst muss eine Gesundheitsberatung im Gesundheitsamt erfolgen. Hier wird über ansteckende Erkrankungen und wie man sich schützen kann, Empfängnisverhütung und weitere gesundheitliche Fragen beraten. Nach dieser Beratung wird eine Bescheinigung ausgestellt. Im Anschluss kann dann das Beratungsgespräch beim Amt für öffentliche Ordnung erfolgen. Hier erhalten die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter eine Beratung über Rechte und Pflichten, einschließlich sozialrechtlicher Aspekte. Sollten sich im Gespräch keine Hinweise auf Menschenhandel oder Zwangslagen ergeben, wird die Anmeldung ausgestellt. Diese kann für einzelne Bundesländer oder auch für ganz Deutschland ausgestellt werden.

Seit November 2017 bis Ende August 2018 fanden im Gesundheitsamt insgesamt 236 Beratungen für im Prostitutionsgewerbe tätige Personen statt, in der gleichen Zeit waren es beim Amt für öffentliche Ordnung insgesamt 155 Personen. Die große Zahlendifferenz ergibt sich unter anderem auch aus der großen örtlichen Mobilität. Viele Personen im Milieu verbringen meist nie viel Zeit an einem Ort. Allerdings sind die Beratungen verpflichtend; ohne Anmeldebescheinigung dürfen die Frauen und Männer nicht arbeiten. Verstöße dagegen durch Inhaber von Betrieben oder Betroffene selbst werden künftig mit Bußgeldern geahndet.

Beide Beratungsgespräche sollen im Verlauf jedoch keinen Druck auf die Frauen und Männer im Sexgewerbe ausüben, im Gegenteil. Sie sollen auf Risiken hinweisen, aber auch Wege zum Ausstieg aufzeigen und Hilfsangebote vermitteln.

Insgesamt lässt sich aus diesen Gesprächen eine positive Bilanz ziehen. Die Gespräche finden in einem vertraulichen Rahmen unter vier Augen statt, Zuhälter oder Vermittler haben keinen Zutritt und somit auch im Gespräch keine unmittelbare Einflussmöglichkeit. „Natürlich gibt es Frauen, die nur kommen, weil sie die Anmeldebescheinigung brauchen. Es gibt aber auch Fälle, in denen sich die Personen öffnen und von ihren Lebensumständen berichten. Auch über die Beratung hinaus haben Frauen schon Hilfe bei uns gesucht“, berichtet Michaela Funck, die beim Amt für öffentliche Ordnung die Beratungsgespräche führt. „Wir versuchen eine Vertrauensbasis aufzubauen, das klappt mal gut und mal weniger gut, aber der Bedarf ist definitiv da“. Auch die Gesundheitsberatung im Gesundheitsamt wird von den Frauen gut angenommen. „ Viele Frauen öffnen sich im Gespräch“, so Tanja Wacker, die im Gesundheitsamt die Beratung durchführt. „Sie sind interessiert und besprechen ihre Fragen zu Gesundheit, sexuell übertragbaren Infektionen, Vorsorge und auch allgemeinen Gesundheitsthemen“. „Wichtig ist uns das Vertrauen“ betont Tanja Wacker, „wir können so die wichtigen Themen vermitteln und oftmals ganz konkrete Hilfestellung geben.“

Optimierungen bei weiterführenden Hilfsangeboten

Auch im Bereich weiterführender Hilfsangebote versucht Pforzheim sein Angebot zu optimieren. Im Rahmen einer Projektförderung des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg konnte die AIDS-Hilfe ihren Beratungsauftrag erweitern. Unter dem Namen „Aspasia“ finden hier Sexarbeiter*innen Hilfen in fast allen Lebenslagen.

Claudia Jancura, die dortige Ansprechpartnerin, bietet in den Räumlichkeiten der Aids-Hilfe Pforzheim e.V. in der Goldschmiedeschulstraße Menschen in der Prostitution mit unterschiedlichsten Problemlagen schnell und zielführend Hilfe an. Angebote kommen beispielsweise aus den Bereichen: Hilfestellung bei gesundheitlichen Fragen und Schwangerschaft, Unterstützung beim Ausstieg, Finanzielle Existenzsicherung, Begleitung bei Behördengängen und noch einiges mehr. Für die Arbeit in der Beratungsstelle sowie für aufsuchende Arbeit konnte durch die Projektförderung eine 25 Prozent Stelle bis 31. Dezember 2018 geschaffen werden.

Zukünftig regelmäßige Wiederholung der Beratungsgespräche

Die Arbeit im Sexgewerbe verpflichtet in Zukunft regelmäßig, die Beratungsgespräche zu wiederholen. Die Erneuerung der Anmeldebescheinigung ist unter 21 Jahren jährlich fällig, für alle älteren alle 2 Jahre. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die hohe Mobilität der Frauen und Männer auch in den Zahlen der Wiederholungsberatungen niederschlägt. Hier hat die Arbeit an der Vertrauensbasis einen hohen Stellenwert. Denn wer sich in der Erstberatung gut aufgehoben gefühlt hat, kommt erfahrungsgemäß lieber wieder an diesen Ort und zu diesem Mitarbeiter, als anderswohin.

Auf verwaltungsrechtlicher Ebene gibt es indes noch viel zu tun. Das Prostituiertenschutzgesetz beinhaltet nicht nur Vorgaben für die Sexarbeiter*innen, sondern auch Vorgaben rund um die Betriebe selbst.

28 Anträge zum Betrieb einer Prostitutionsstätte, meist Bordelle oder Terminwohnungen, sind beim Amt für öffentliche Ordnung seit Einführung des Gesetzes eingegangen. Eine Erlaubnis wurde bislang noch in keinem Fall erteilt. In eine Genehmigung für eine Prostitutionsstätte fließen gleich mehrere unterschiedliche Rechtsgebiete ein; unter anderem auch Baurecht und arbeitsschutzrechtliche Vorschriften, aber auch Vorschriften zur Erstellung eines Hygieneplans. Insbesondere im Bauplanungsrecht bestehen hohe Hürden. Zudem müssen Betreiber von Prostitutionsstätten ein Betriebskonzept erstellen, wie die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden sollen. Kontrollmaßnahmen erfolgen in enger Abstimmung mit der AG Rotlicht des Polizeivollzugsdienstes.

„Uns geht die Arbeit in diesem Bereich in der nächsten Zeit nicht aus“, bestätigt Simeon Hartlaub, in dessen Zuständigkeit die Erteilung der Erlaubnisse beim Ordnungsamt fällt. „Wie viele Prostitutionsstätten tatsächlich eine Erlaubnis erhalten, hängt von der Beurteilung im Einzelfall ab, eine konkrete Zahl lässt sich aktuell noch nicht benennen“, bekräftigt er.

Eine Bewertung der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes durch das Land soll in 3 Jahren erfolgen. Bis dahin finden alle, die im Prostitutionsgewerbe tätig sind, bei den Beratungsstellen des Gesundheits- und Ordnungsamts,- sowie bei Claudia Jancura von Aspasia verlässliche Ansprechpartner. Mehr Wissenswertes bieten auch die Veranstaltungen rund um den „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November 2018, nähere Informationen können abgefragt werden unter:

www.pforzheim.de/buerger/buergerservice/rat-hilfe/soziale-themen/gleichstellung/projekte-und-veranstaltungen

Quelle(n): pm

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.