Die Idee des Factory Outlet im Strudel des Wahlkampfes

Ehemaliges Bader-Versandzentrum im Brötzinger Tal

Die Diskussion um das "Factory Outlet Center" begleiten inzwischen schrillste politische Töne. Keine vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Bürgerschaft und Politik.

(Lesezeit: 6 Minuten)

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Es gibt zwei Theorien zur Einbindung von echten Aufregern in einen Wahlkampf: Entweder wird mit so einem Aufreger eine echte Richtungsentscheidung für ein Projekt stilisiert oder es wird gänzlich vernichtet. Die Idee des „Factory Outlet Centers“ im Brötzinger Tal mit der nicht sehr sympathisch wirkenden Abkürzung „FOC“ ist eher auf dem letzteren Wege und das hat einige Gründe:

Keine schnelle Gemeinderatsentscheidung

In seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl hat es der Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt, ein klares Votum für das „FOC“ zu geben, sondern es zur Beratung zunächst in Gemeinderatsausschüsse zu verweisen, wo es näher diskutiert und geprüft werden kann. Und das ist auch sehr gut so, denn genau dazu sind gemeinderätliche Fachausschüsse auch da.

Sehr häufig hört man in den letzten Wochen, wenn man das Thema „FOC“ anspricht, von offensichtlichen Befürworten, dass der Gemeinderat doch ein klares Votum geben solle, denn das Regierungspräsidium würde dann sowieso die Rechtmäßigkeit prüfen.

Sieht so verantwortungsvolle Kommunalpolitik aus? Ein gewaltig einschneidendes Projekt kurz vor den Kommunalwahlen ohne große Diskussionen offensichtlich als „Wahlkampffutter“ durchzudrücken und die Arbeit dann das Regierungspräsidium machen zu lassen? Nein, so sieht Verantwortung nicht aus. Daher: Der Verweis an gemeinderätliche Fachausschüsse ist gut und wichtig für einen tatsächlich vertrauenswürdigen Entscheidungsprozess. Wenn Fragen auftauchen, müssen diese eben geklärt werden.

Der Druck des Investors

Man mag es für einen Zufall halten, dass der Bauantrag für das „FOC“ Anfang Februar eingereicht wurde. Da in Baden-Württemberg Bauanträge innerhalb von drei Monaten bearbeitet werden müssen, wäre spätestens Anfang Mai eine Entscheidung notwendig gewesen. Nach Gesprächen zwischen Oberbürgermeister Peter Boch und der Firma Bader lässt Bader nun offenkundig den Bauantrag ruhen, um nicht letztlich eine Ablehnung zu kassieren.

Tatsächlich ist die Begründung der Stadt nicht falsch, Zitat aus einer aktuellen Pressemitteilung der Stadt:

„Mit einer Positionierung der Stadt Pforzheim wäre nur ein erster von vielen Schritten getan, die in der Folge außerhalb der Einflusssphäre der Stadt Pforzheim liegen. So sehen die regional- und landesplanerischen Ziele vor, dass Einzelhandelsschwerpunkte fernab der Innenstadt zu vermeiden sind. Neben dem Bebauungsplan und dem Flächennutzungsplan müsste der Regionalplan geändert werden und darin ein zweiter „innerstädtischer Versorgungskern“ festgelegt werden. Zudem bedarf es einer Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg. [..] Die Entscheidung der Firma Bader, die Bauvoranfrage ruhen zu lassen, solange keine planungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, war indes „naheliegend und vernünftig“, so der Rathauschef [Peter Boch, Anmerk. d. Red.] weiter. Der Bebauungsplan im Brötzinger Tal weist die dortigen Flächen als ein normales Gewerbegebiet mit Einschränkungen für Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandel aus. Damit besteht für das Baurechtsamt keine andere rechtliche Möglichkeit, als die Bauvoranfrage abzulehnen, solange das Planungsrecht an der Stelle nicht verändert wurde.

An einer anderen Stelle greift nun Klaus Bader Baubürgermeisterin Sibylle Schüssler an. In einem „Statement“ schreibt Klaus Bader am Samstag in einer Pforzheimer Tageszeitung, dass die Baubürgermeisterin bei der Information über das Ruhenlassen der Bauvoranfrage an den Gemeinderat den Zusatz „bis die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“ weggelassen habe und weiterhin erkläre, dass aktuell keine Bearbeitung durch das Baurechtsamt erfolge. Damit „täusche“ sie den Gemeinderat und führe eine „Sinnverstellung“ herbei.

Kann man so sagen. Muss man aber nicht, denn letztlich ist der Sachverhalt, über den Schüssler den Gemeinerat informiert hat, klar und deutlich: Ein ruhende Bauvoranfrage ist keine Rücknahme einer Bauvoranfrage und auch keine Ablehnung.

Die absehbare Entwicklung als Wahlkampfthema

Eine erste politische Antwort auf das Statement von Klaus Bader ließ nicht lange auf sich warten; Punkt 13:48 Uhr veröffentlichte am Samstag das Wahlkreisbüro von Hans-Ulrich Rülke eine Pressemitteilung mit dem Titel „Firma Bader nicht ganz nach Östringen treiben“ und Rülke verlangte „Aufklärung“ in einer Reihe von Fragen. Ob OB Boch „hinter dem Rücken des Gemeinderats“ Bader aufgefordert habe, die Bauvoranfrage zurückzunehmen. Oder ob Schüssler tatsächlich „wichtige Informationen unterschlagen“ habe. Oder ob Boch und Schüssler die „CDU-Fraktion angestiftet“ habe, eine „Verschleppung des Projekts zu betreiben“. Würden diese Vorwürfe „auch nur ansatzweise stimmen“, müsse es „personelle Konsequenzen im Bürgermeisteramt“ geben.

In einer heutigen Pressemitteilung verlangte die FDP/FW- und die Gemeinderatsgruppierung der Unabhängigen Bürger nun eine Sondersitzung des Gemeinderates, damit sich „insbesondere“ Schüssler sich zum „Vorwurf der Unterschlagung von wichtigen Informationen“ erkläre. Und noch weiter gehen die Stadträte Hans-Ulrich Rülke, Michael Schwarz und Bernd Zilly:

„‚Wie kann es sein, dass diejenige, die dem Wohle der Stadt dienen soll, dem Gemeinderat gegenüber so tut, als habe einer der größten Steuerzahler der Stadt an einem Projekt das Interesse verloren, das auf Jahrzehnte hinaus Arbeitsplätze und hohe Steuereinnahmen garantieren soll?‘, fragen die drei Stadträte.“

Wo bleibt sie, die Sachlichkeit?

Dass die Rathausspitze im Namen von Boch und Schüssler dazu aufrufen, „wieder zu einem sachlichen Ton“ zurückzukehren, klingt einleuchtend. Ebenso der Hinweis, dass man der Sache mehr schade als ihr nutze, wenn man das Thema zu Wahlkampfzwecke nutze.

Diesem Statement ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Wer hier genau was kaputtmacht, ist eigentlich irrelevant. Dass hier etwas kaputtgeht, nämlich das Vertrauen in Verwaltung und Gemeinderat, ist ein viel größeres Problem.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.