Gehen in Pforzheimer Krankenhäuser wirklich Gesichtsmasken aus?

Facebook Symbolbild

Kurzantwort: Nein. In drei Akten kommt die lange Antwort und zeigt, wie sehr wir auch in Social Networks gegenseitig auf uns aufpassen sollten.

(Lesezeit: 5 Minuten)

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Eine durchaus bedrohlich wirkende Facebook-Nachricht verteilte sich seit gestern Nachmittag vor allem im Pforzheimer Raum. Darin rief ein Mann aus der Region auf, „Gesichtsmasken“ zu spenden, wenn jemand entsprechend welche vorrätig habe. Er, der Initiator habe erfahren müssen, „dass das Personal in unseren Pforzheimer Krankenhäusern im Moment keine Gesichtsmasken bekommt“ und dass die „wenigen Masken“, die die Krankenhäuser im Bestand hätten, erst „im großen Ernstfall“ ausgegeben werden sollen. Dabei sei der Bestand so gering, dass das Krankenhauspersonal große Sorgen und Ängste habe, wenn die große Welle hereinbreche.

Im Aufruf, der von einer anderen Person unterzeichnet wurde, als von der Person, die die Nachricht ursprünglich zuerst in Facebook veröffentlichte, war dazu Name und Adresse der Abgabestelle angegeben.

Teil 1: Der Masken-Faktencheck

Beide Pforzheimer Krankenhäuser, das Siloah St. Trudpert Klinikum und das Helios Klinikum Pforzheim, bereiten sich seit mehreren Wochen auf die Corona-Pandemie vor. Neben räumlichen und organisatorischen Maßnahmen gehören hierbei auch Fragen des Materials dazu.

„Bei allen unseren Maßnahmen halten wir uns an die Empfehlungen des Robert Koch Instituts. Unseren Mitarbeitern stehen selbstverständlich indikationsgerecht Masken zur Verfügung“, so Helios-Pforzheim-Pressesprecherin Silke Bentner. Dies betreffe sowohl den Einsatz von „normalem“ Mund-Nasen-Schutz als auch FFP2-Masken mit höherem Schutzgrad. Man habe die Mitarbeiter zum ressourcenschonenden Verbrauch aufgeklärt und zum indikationsgerechten Einsatz geschult. Insbesondere habe es keinen Aufruf gegeben, privat Schutzmasken zu besorgen.

Die Pressestelle des St. Trudpert Siloah Klinikums war am Sonntag nicht zu erreichen, allerdings haben die Verantwortlichen zuletzt vor einigen Tagen in einer Mitteilung unter anderem die Materialsituation angesprochen. Dort heißt es: „Auch die entsprechende Schutzausrüstung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zum Beispiel in Form von Mundschutzmasken und Desinfektionsmitteln, liegt in ausreichender Zahl vor.“ Man sei vorbereitet, so Dr. Thushira Weerawarna, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 3.

Teil 2: Die Recherche zum Aufruf

Bleibt die wichtigste Person – der Initiator der Aktion, den wir telefonisch erreichen konnten. Er bestätigt, dass er den ursprünglichen Text geschrieben hatte, der allerdings für seine WhatsApp-Freunde gedacht war. Er nutze selbst Facebook nicht und hatte zunächst auch überhaupt keine Kenntnis darüber, dass sein Aufruf plötzlich Reaktionen von Facebook-Nutzern auslöste. Offenkundig haben dann Leser dieser Nachricht auf Facebook diese dann eifrig auf ihren Kanälen geteilt – bis 17 Uhr war die Nachricht fast 50 Mal geteilt worden.

Dennoch gibt sich der Initiator unzufrieden und regelrecht gefrustet. Denn neben positivem Feedback und auch einigen Mundschutz-Spenden kamen auch Rückfragen und „Fake-News“-Vorwürfe bis hin zu Mutmaßungen, der Initiator, ein Unternehmer aus der Region, denke da gar an ein eigenes Geschäft. Das ist Unsinn, so der Initiator, er wollte etwas gutes tun und ärgere sich nun über das, was mit dem Aufruf passiert ist. Mit den Formulierungen über den Mangel an Materialien wolle er vor allem seinem Unmut in Richtung Berlin Luft machen. Selbstverständlich denke er an kein „Geschäft“ mit den gespendeten Masken und werde die gesammelten Masken, die er am heutigen Sonntag teilweise sogar persönlich abgeholt habe, auch entsprechend spenden.

Die Reaktion auf seinen Aufruf und vor allem auch die Art und Weise, wie der Aufruf dann in Facebook eine große Runde zog, erschreckte ihn jedoch und er wolle es kritisch prüfen, bevor er nochmal entsprechende Aufrufe veröffentlicht. Auch habe er veranlasst, dass sein Aufruf in Facebook wieder entfernt werden solle.

Teil 3: Persönliche Anmerkung des Autors dieses Artikels

Üblicherweise schreibe ich gemäß den journalistischen Gepflogenheiten unter berichtende Artikel keine persönliche Anmerkung. In diesem Fall möchte ich eine Ausnahme machen, um ausdrücklich den Initiator zu schützen.

Persönliches Engagement ist die Grundlage einer sozialen Gesellschaft und es liegt leider immer wieder nahe, solchem persönlichen Engagement zwielichtige Hintergründe zu unterstellen. „Profis“ wie beispielsweise Hilfsorganisationen können damit umgehen, für Einzelpersonen sind solche Vorwürfe mitunter extrem verletzend und führen oft dazu, dass die engagierte Hilfsaktion aus Frust keine Wiederholung mehr findet. Dazu kommt die Unart des „Shitstormings“, die sehr schnell jedes Engagement auf höchst unsachliche Weise diskreditiert.

Das ist alles falsch und fatal. Selbst wenn eine persönliche Hilfsaktion aus dem Rahmen fällt, weil der Spendenaufruf weit größere Kreise zieht, als ursprünglich beabsichtigt, ist immer der Aufruf und die Intention selbst zu prüfen und zu bewerten, unabhängig davon, wie unkontrolliert am Ende der Aufruf fließt. Das haben wir an dieser Stelle auch gemacht und wir laden jeden Leser ein, das ebenfalls so zu halten.

Eine kritische Beachtung von allem, was derzeit auf Social Networks veröffentlicht wird, ist niemals falsch. Aber vieles, was veröffentlicht wird, hat auch einen tieferen Sinn und das ist gerade bei persönlichem Engagement der Fall.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.