Wie Erinnerung zustande kommt – Martin Korte im Studium Generale

Zum letzten Mal begrüßten die Vertreter der Hochschule Pforzheim einen Referenten des Studium Generale in dieser Besetzung: (von links) Prof. Dr. Barbara Burkhardt-Reich, Referent Prof. Dr. Martin Korte, Prof. Dr. Christa Wehner und Rektor Prof. Dr. Ulrich Jautz.

Martin Korte erklärt an der Hochschule Pforzheim höchst unterhaltsam, wie das Gehirn arbeitet.

(Lesezeit: 6 Minuten)

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Ein volles Haus, das Ende einer Ära und ein Thema, an das sich die Zuhörer hoffentlich lange erinnern werden: „Wir sind Gedächtnis: Wie unsere Erinnerungen bestimmen, wer wir sind“. Das war der Rahmen für den Vortrag von Professor Dr. Martin Korte am Mittwochabend, 5. Dezember, beim Studium Generale an der Hochschule Pforzheim. Mit dem Vortrag Kortes endete eine Ära an der Hochschule Pforzheim: Professorin Dr. Barbara Burkhardt-Reich, die 60 Semester lang für das Studium Generale an der Hochschule Pforzheim verantwortlich war, wurde von Rektor Professor Dr. Ulrich Jautz und ihrer Kollegin Professorin Dr. Christa Wehner gewürdigt und verabschiedet. Insgesamt 800 Zuhörer im voll besetzten Walter-Witzenmann-Hörsaal (Audimax) sowie weiteren Räumen der Hochschule machten ihr die Aufwartung und folgten dem höchst unterhaltsamen Vortrag Kortes, in dem er nicht nur darstellte, wie unser Gehirn Erinnerung möglich macht, sondern auch, wo es uns einen Streich spielen kann.

Die wissenschaftliche Leiterin Dr. Christa Wehner, Professorin für Marktforschung und Konsumentenpsychologie an der Hochschule Pforzheim, begrüßte Korte, der als Professor für Zelluläre Neurobiologie an der Technischen Universität Braunschweig lehrt, als Forscher, der über das Erinnern spricht – und trotzdem erklärt, wie wichtig auch das Vergessen für unsere Gedächtnisprozesse ist.

86 400 Sekunden hat ein Tag, und in jeder Sekunde verarbeiten wir Menschen Sinneswahrnehmungen, speichern neues Wissen und erinnern uns an Vergangenes. Dass uns dies tagtäglich gelingt, verdanken wir „einer Meisterleistung der Natur: unserem Gedächtnis“, wie Martin Korte es ausdrückt.

Der Hirnforscher beschrieb in seinem Vortrag, wie vielfältig das Gedächtnis unser Denken und Handeln bestimmt. Erinnerungen seien wandelbar und würden bei jedem Abrufen neu konstruiert. Er erläuterte die unbewussten Vorgänge des Gedächtnisses, die etwa unsere Intuition und Routinehandlungen steuern, und erklärte, warum Schlaf und Vergessen so essentiell für unsere Gedächtnisprozesse sind. Erinnerungen, so Martin Korte, seien nicht nur eine Anhäufung von Einzelheiten unserer Autobiografie, sondern der Stoff, aus dem unsere Identität gemacht sei.

Korte führte das Pforzheimer Publikum mit interaktiven Gedächtnisspielen und vielen Tipps kurzweilig durch seinen Vortrag. „Sie müssen die selektiven Filter des Gehirns einsetzen, sonst ertrinken Sie in einer Wissens- und Informationsflut“, riet er den Zuhörern. Man müsse neuem Wissen Bedeutung und Emotion verleihen, wenn man es sich langfristig merken wolle. Zu viel ungefilterte Information überfordere das Arbeitsgedächtnis. „Gerade bei Fakten- und Schulwissen ist es wichtig, dass wir die Information immer im Kontext der Gesamtsituation abrufen. Dafür ist der Hippocampus ganz wichtig“, erklärte Korte. Dies sei für das Langzeitgedächtnis von enormer Bedeutung.

Wie wichtig auch Emotionen für die Erinnerung seien, machte er am Beispiel von Schülern fest, die vom Lehrer aufgerufen werden und sich durch ihr Nicht-Wissen in diesem Moment bloßgestellt fühlten. „Das Gehirn macht aufgrund der negativen Erfahrung in Zukunft zu und erschwert deshalb die künftige Wissensaufnahme in diesem Fach.“

Mit lebensweltlichen Bezügen, illustren Beispielen und seinem pointierten Vortragsstil zog Korte das Publikum in seinen Bann. Sehr lang anhaltender Applaus und viele angeregte Diskussionen im Nachgang zeugten davon, dass die Macherinnen des Studium Generale zum Abschied von Barbara Burkhardt-Reich einmal mehr den Nerv des Publikums getroffen hatten.

Verabschiedung von Organisatorin Barbara Burkardt-Reich nach 60 Semestern

Nach 60 Semestern hat Professorin Dr. Barbara Burkhardt-Reich den Stab als Organisatorin des Studium Generale an der Hochschule Pforzheim weitergegeben. Professor Dr. Ulrich Jautz, Rektor der Hochschule Pforzheim, würdigte Barbara Burkhardt-Reich als außergewöhnlich engagierte Kollegin. „Nach 30 Jahren geht eine Ära zu Ende. In annähernd 300 Veranstaltungen haben Sie, liebe Frau Burkhardt-Reich, das Studium Generale zu einem bemerkenswerten Aushängeschild der Hochschule Pforzheim gemacht, das nicht mehr wegzudenken ist. Dafür gebührt Ihnen unser großer Dank und unsere volle  Anerkennung.“

1988 hat alles für Barbara Burkhardt-Reich begonnen. Viele bekannte Namen haben seither das Studium Generale mit ihren Vorträgen beehrt. Franz Alt, Walter Jens, Erwin Teufel, Heiner Geißler, Joachim Gauck, Gabriele Krone-Schmalz oder in diesem Jahr Klaus Töpfer und nicht zuletzt am vergangenen Mittwoch Martin Korte. „Dank Ihres Gespürs für die Themen unserer Zeit und für das Publikum“, lobte Rektor Ulrich Jautz. Dass das Studium Generale ein Erfolgsmodell sei, zeigten die 2000 Besucher, die jedes Semester zu den Veranstaltungen kommen.

Barbara Burkhardt-Reich zeigte sich in der Stunde des Abschieds bescheiden. „Ohne die Unterstützung durch meine Kollegen, die Hochschule und das Rektorat wäre dieser Erfolg über all die Jahre nicht möglich gewesen.“ Sie sei gefragt worden, wie es ihr beim Abschied gehe. „Gut geht es mir, denn ich weiß, dass das Studium Generale weiterhin in guten Händen ist. Darüber freue ich mich sehr“, sagte Barbara Burkhardt-Reich. „Es war für mich eine wunderschöne Aufgabe, die ich gerne mit großer Leidenschaft und manchmal auch mit großem Kampfgeist gemacht habe“, so Burkhardt Reich. „Herzlichen Dank für alles. Herzlichen Dank für diese schöne Zeit mit Ihnen!“

Seit 2004 ist Professorin Dr. Christa Wehner als Macherin an der Seite von Barbara Burkhardt-Reich. Sie blickt dankbar auf eine tolle gemeinsame Zeit zurück. „Wir sind inhaltlich und von unseren Interessen sehr ähnlich. Es war eine ausgesprochen angenehme und präzise Zusammenarbeit, die von großem Vertrauen geprägt war“, sagt Christa Wehner und fügt vertrauensvoll hinzu: „Von ihr kann man sich den Fallschirm packen lassen.“ Man habe immer gute Gastgeber sein wollen. Für die Referenten wie auch fürs Publikum des Studium Generale. „Gerade für die Referenten bot Barbara ein Rundum-sorglos-Paket. Diese fühlten sich stets sehr gewertschätzt“, weiß Christa Wehner.

Nun gibt Barbara Burkhardt-Reich den Stab an die neue Kollegin an Christa Wehners Seite, Professorin Dr. Frauke Sander, weiter.

Das Studium Generale setzt sein Programm im kommenden Sommersemester am 3. April zum Thema Künstliche Intelligenz fort.

Quelle(n): pm

Besim Karadeniz
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