Eine Intensivpflegerin berichtet von ihren derzeit täglichen Erfahrungen aus der Arbeit einer vollen Intensivstation im Schatten der Corona-Pandemie.
(Lesezeit: 4 Minuten)Hinweis: Dies ist ein Archivbeitrag.
Dieser Beitrag ist im Archiv von PF-BITS. Hier eventuell angegebene Telefon- und Kontaktmöglichkeiten sowie Terminangaben sind möglicherweise nicht mehr aktuell.
Petra M. (Name geändert) arbeitet als Intensivschwester in einem Krankenhaus in der Region und betreut in ihrer Station eine Vielzahl an Covid-19-Patienten. Die Station, in der sie arbeitet, wurde um ein Drittel vergrößert – bei gleicher Personalzahl. Insgesamt vier Patienten betreut sie und ihre Kollegen pro Person und das acht Stunden lang unter vollem Ganzkörperschutz und mit FFP2-Atemmaske. „Manchmal schafft man es nur einmal zur Pause heraus, manchmal gar nicht“, so M. Es bleibe nur noch Zeit zum Verwalten und „Schauen, dass die Patienten überleben“. Lasse man sich bei einem Patienten zu viel Zeit, fehle das beim nächsten.
Das Unheimliche bei schweren Krankheitsverläufen von Covid 19 sei vor allem die Unberechenbarkeit. Patienten, die eigentlich auf dem Weg der Besserung scheinen, können innerhalb kürzester Zeit plötzlich wieder beatmungspflichtig werden. Neben den technischen Erfordernissen belastet dabei auch der psychische Druck: „Wenn sie wach sind, haben sie Angst und Luftnot,“ so M., „wenn sie schon intubiert sind, haben sie zig Schläuche und Medikamente, die regelmäßig gegeben und kontrolliert werden müssen.“
Allein in einer einzigen Nachtschicht habe sie drei Tote auf ihrer Station verzeichnen müssen. Eine Situation, mit der man auch in einem Bereich, wo der Tod unweigerlich dazugehört, zuerst einmal umgehen können muss: „Was das mit einem macht, wenn eine Patientin im Bett liegt, Angst hat und vor sich hin stirbt, während du keine Zeit hast, sie zu betreuen und stattdessen nur das Morphin höherdrehst, damit es für die Patientin nicht so schlimm ist, das geht uns Pflegenden schwer auf die Psyche.“
Personal selbst gefährdet
Trotz umfangreicher Ausstattung zum Selbstschutz ist auch das Personal nicht vor einer Infektion gefeit. „Das Personal wird immer weniger, da sich einer nach dem anderen beim Arbeiten infiziert“, sagt M. und meint sich dabei auch selbst. Inzwischen sei sie nach der überstandenen Krankheit wieder am arbeiten, habe aber nicht die volle Leistungsfähigkeit, die sich durch eigene Atemnot und Kreislaufproblemen – typische Folgeerscheinungen einer Covid-19-Infektion – ständig bemerkbar mache. Und eine hohe Bettenzahl bringt nichts, wenn das dazu notwendige Pflegepersonal fehlt.
Intensivpersonal, das fehlt, kann dabei nicht einfach ersetzt werden. Zwar bekomme man wertvolle Hilfe vom Personal aus der Anästhesie, aber dazu muss dieses Personal auch Erfahrungen im Intensivbereich haben. „Es ist zwar alles erlernbar und für jemanden mit Vorkenntnissen auch leichter“, fügt M. hinzu, „aber derzeit hat niemand die Zeit, jemandem etwas beizubringen.“
Auf ihren Arbeitgeber lässt M. dennoch nichts kommen: „Wir bekommen jede Unterstützung, die wir benötigen. Schutzmaterialien werden organisiert und in der Personalplanung gebe man sich die größten Mühe, die Kräfte auch nach ihrer Leistungsfähigkeit einzuteilen. So würde Personal, das selbst kürzlich noch krank war und wieder gesundet ist, auf weniger belastende Schichten eingeteilt.
Pandemie ernst nehmen
Die Ängste und Sorgen des Arbeitstages nehmen Ärzte und Pflegekräfte nach ihrer Schicht dennoch unweigerlich mit nach Hause. „Man hofft jedes Mal, sich nicht angesteckt zu haben und so vielleicht die eigene Familie anzustecken.“ Das wiederum mache dann einen sehr empfindsam dafür, wie in der Außenwelt mit der Corona-Pandemie umgegangen werde. „Es regt mich auf, wie einige Menschen die Situation verharmlosen, ohne zu wissen, wie es bei uns aussieht“, so M. Und auch die Unvorsichtigkeit vieler Menschen mache fassungslos, wenn beispielsweise zwei Handwerker vorschriftsmäßig mit Maske Utensilien einkaufen, die Masken dann aber im gemeinsam gefahrenen Auto wieder auszögen. „Man muss keine Angst haben und Panik bekommen, aber man muss die Pandemie ernstnehmen, respektieren und sich zusammenreißen.“