800.000-Euro-Forschungsprojekt für Hochschule Pforzheim

Hochschule Pforzheim forscht für das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald im Automotive-Bereich, von links: Prof. Dr. Rebecca Bulander, Dr. Bernhard Kölmel (beide Hochschule Pforzheim), Ulrich Jautz (Rektor Hochschule Pforzheim), Jochen Protzer (Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald), Helmut Riegger (Landrat Landkreis Calw) Foto: Gerd Lache

Hochschule Pforzheim forscht für das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald in Sachen Wandel zur Elektromobilität im Automotive-Bereich.

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„Raus aus dem Elfenbeinturm und rein in die Unternehmen der Region“ – unter diesem Motto hat Rektor Ulrich Jautz für die Hochschule Pforzheim einen Forschungsauftrag im Volumen von 800.000 Euro angenommen. Ziel des Auftrags: Die Automobilzulieferer bei der herausfordernden Transformation vom Verbrennungsmotoren hin zu alternativen Antrieben oder bei der Entwicklung völlig neuer Geschäftsmodelle zu unterstützen. Beauftragt wird das Forschungsprojekt vom Großprojekt „TraFoNetz“, dem Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald, das von der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG) betrieben wird. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

In der Projektlaufzeit der nächsten anderthalb Jahre von 2024 an werden die Professoren Dr. Rebecca Bulander und Dr. Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim mit einem dreiköpfigen TraFoNetz-Team Firmen besuchen, Geschäftsmodelle analysieren, neue Ansätze entwickeln, Impulse geben, außerdem vorhandene Technologien und Kompetenzen auf Aktualität abklopfen sowie Strategien checken und nicht zuletzt Überzeugungsarbeit leisten. Überzeugungsarbeit ist dabei auch bei Beschäftigten notwendig, die ihre angestammten Kenntnisse optimieren müssen.

Des weiteren wird an der Hochschule ein sogenanntes „Makerspace“ eingerichtet, um innovative Ideen für die Unternehmen im Nordschwarzwald zu testen und auf ihre Marktfähigkeit zu prüfen. „Die alten Geschäftsmodelle sind nicht mehr tragfähig“, sagt Professor Bernhard Kölmel angesichts des massiven Umbruchs in der weltweiten Automobilindustrie. Demnach machen die deutschen Automobilhersteller auf ihrem einstigen Schwerpunktmarkt China und selbst im Heimatmarkt kaum noch Boden gut, seit das asiatische Land die Elektromobilität verkündet und im Rekordtempo umgesetzt hat. Weitere Länder treten aus ihrer automobilen Bedeutungslosigkeit hervor und schicken sich an, die Märkte mit Elektromobilität zu überschwemmen.

Herausforderungen beim Wandel zur Elektromobilität

Für die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer sei es schwierig, auf die erarbeitete hohe Qualität und erworbene Kompetenz beim Motorenbau zu setzen. Denn, so Kölmel: „Elektroautos sind im Vergleich zu Verbrennern primitive Teile.“ Da sei nicht besonders viel Präzision gefragt, zumal die E-Auto-Kundschaft ohnehin keinen gesteigerten Wert auf die einst hochgepriesenen Spaltmaße lege.

Eine weitere Herausforderung sei die sogenannte Plattformökonomie – ein wesentlicher Bestandteil der künftigen Forschungsarbeit an der Hochschule. In Zukunft werden die E-Autobauer laut Kölmel ihre Komponenten auf einem weltweiten Markt nach Maßgabe des günstigsten Preises einkaufen. Der Professor vergleicht dies mit der seinerzeit vom Computer-Unternehmen Dell eingeführten Plattform für PC-Komponenten. In den Laptops waren Standardteile eingebaut, die in aller Welt preiswert zusammen gekauft worden sind.

Ähnliches stehe der Autoindustrie bevor. Schon heute existiere eine Plattform, auf der sich inzwischen 3000 Unternehmen tummeln, darunter BMW und Bosch. „Da ist man gerade dabei, alle Bestandteile eines Elektrofahrzeugs zu standardisieren.“ Ein noch härterer Preiskampf als bisher werde die Folge für die Zulieferer sein.

„Wenn die Transformation in die Elektromobilität gelingt, dann ist unsere Region quasi tot.“

Davon leitet der KI- und Automotive-Experte der Hochschule Pforzheim seine provokante These ab: „Wenn die Transformation in die Elektromobilität gelingt, dann ist unsere Region quasi tot.“ Denn insbesondere die heimischen Zulieferer würden ins Abseits gedrängt. Einige von ihnen, prognostiziert
Kölmel, werden es wohl nicht schaffen“. Um deren Zahl im Nordschwarzwald – aktuell sind insgesamt rund 1300 Firmen im Automotive-Bereich tätig – so gering wie möglich zu halten und vor allem um die meisten der rund 30.000 Jobs in der Region zu sichern, habe das TraFoNetz kompetente Partner und Mitstreiter um sich geschart und gebe kostenfreien Support beim Weg in eine „erfolgreiche Zukunft“.

Wo diese Zukunft für die Unternehmen im Nordschwarzwald sein könnte, das entscheide der Einzelfall. Sicher sei, dass mancher Betrieb das Heil woanders als im Automotive-Bereich suchen sollte. Kölmel sagt: „Eine Aufgabe unseres Projektes ist es, den Unternehmen zu helfen, neue Märkte, neue Kunden, neue Anwendungsgebiete zu finden.“ Seine deutliche Empfehlung: „Haltet nicht wie verrückt nur an der Elektromobilität fest, da werden wir deutlich weniger Chancen haben, sondern sucht euch Branchen, in denen unsere Kompetenz, die Präzision, die Technik gefragt sind.“ Es gehe nicht darum, die erworbenen Qualifikationen aufzugeben, sondern diese zu optimieren und seine Kernkompetenz dort anzubieten, wo sie gefragt sei. Professorin Bulander ergänzt: „Wir schauen uns nicht nur die Unternehmen an.“ Auch die Ausbildung und Qualifikation von Mitarbeitenden im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit sei bei dem Projekt enorm wichtig.

Quelle(n): pm

Besim Karadeniz
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