Pforzheim – Stadt der Flaggen-Possen

Regenbogenbeleuchtung am Pforzheimer Rathaus

Flaggen haben mitunter magische Wirkungen auf Gesellschaften. Das ist in Pforzheim offenkundig nicht anders.

(Lesezeit: 3 Minuten)

Irgendwie fühlt man sich in den Sommer 2024 versetzt. Damals störte man sich an einer durchaus schlampig montierten Bundesflagge am Sprungturm, woraufhin die Stadt auf die Kritik rund um die Entfernung der Flagge mit einem eigenen Flaggenmast auf dem Freibadgelände konterte. Seitdem hat Pforzheim ein Freibad mit einem Flaggenmast, an dem die Bundesflagge weht.

Nun wird am Samstag der Christopher-Street-Day in der Pforzheimer Innenstadt veranstaltet. Eine Reihe von namhaften Bündnissen, Parteien, Gewerkschaften, Organisationen und Unternehmen tragen dafür Verantwortung. Und das kommt zumindest so gut an, dass eine rechtsradikale Truppe (und davon haben wir in Pforzheim den Wahlergebnissen zufolge ja eine ganze Menge) gegendemonstrieren will. Gut, es hätte verwundert, wenn die Strenggescheitelten so eine Veranstaltung nicht als Chance für eine zweifelhafte Profilierung ausnutzen würden.

Aber das alles ist gar nicht so wirklich das Thema, sondern die Peinlichkeit rund um eine Flagge. Nämlich die Regenbogenflagge, die viele zumindest am Samstag auch auf dem Rathaus wehen sehen würden. Das sei, so das Rathaus, aus rechtlichen Gründen nicht möglich, da an öffentlichen Gebäuden nur offizielle Flaggen wehen dürften. Was allein schon deshalb verwundert, da beispielsweise die Villa Reitzenstein, Sitz der Landesregierung, und das Karlsruher Schloss dann offenbar keine öffentlichen Einrichtungen mehr, da nämlich unter anderem genau an diesen Orten ebenfalls die Regenbogenflagge weht. Genau jetzt.

Nun ist echter bürgerschaftlicher Mut nichts, was man mit Oberbürgermeister Peter Boch verorten würde, weshalb eine tagelange, wirklich ätzende Posse entstanden ist. Auf der einen Seite die Stadtverwaltung mit einer fragwürdigen Haltung zum Hissen einer nicht-offiziellen Flagge und dem gegenüber wiederum Organisationen und Parteien, die diese Haltung kritisieren. Ein Kampf, der vor allem über Lokalmedien geführt wird. So viele Champagnerflaschen, die man für einen solchen Scoop aufmachen müsste, kann man sich selbst in Redaktionen eher nicht leisten.

Zum Vorführen-lassen gehören immer mindestens zwei

Und die Liste der Pressemitteilungen ist lang: So kritisierte der Jugendgemeinderat die Entscheidung der Stadtverwaltung, die SPD, die Linkspartei, die Grünen, die Grüne Jugend. So wie es eben das Gesetzesbuch der Öffentlichkeitsarbeit auch vorsieht: Zum Vorführen-lassen gehören immer mindestens zwei: Jemand, der zuschaut und jemand, der sich vorführen lässt. Und so ist Pforzheim schon wieder von einer Flaggen-Posse eingelullt, bei der man von Glück reden muss, wenn sie nur von Lokalmedien aufgegriffen wird und nicht als nationaler Treppenwitz im landesweiten Boulevard auftaucht.

Mehr Mut auch außerhalb von OB-Wahlkämpfen, Oberbürgermeister, das wär’s! Die Regenbogenflagge symbolisiert zwar keine Nation, aber sie symbolisiert zwei der wichtigsten Werte unserer Gesellschaft, nämlich Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Solidarität mit Minderheiten. Und, seien wir ehrlich: Wäre Oberbürgermeister Peter Boch noch im OB-Wahlkampf, würde man das Rathaus vor lauter aufgestellten Regenbogenflaggen nicht mehr sehen.

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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen.