Corona-Krise verstärkt den Trend, dass sich Schüler immer mehr für weiterführende Schulen interessieren und gegen eine Handwerksausbildung. (Lesezeit: 3 Minuten)
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„Wenn jemand einen Ausbildungsplatz sucht, soll er sich melden, Anruf oder E-Mail mit Bewerbung genügt“, so KFZ-Innungsmeister Timo Gerstel. Und was sich hier zunächst anhört wie ein normaler Bewerbungsaufruf eines Unternehmers, ist ein Hilferuf des gesamten Handwerks. Denn tatsächlich sollen sich Ausbildungswillige direkt bei den Kreishandwerkern melden, wenn sie noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind.
Rund 20 % weniger Anmeldungen verzeichnet Brigitta Nick, Schulleiterin der Alfons-Kern-Schule, bei den Handwerksberufen. Und damit befände man sich deutlich unter den Anmeldungen im letzten Jahr. So gebe es beispielsweise bei den Anlagebauer gar 30 % weniger Azubis, bei den Konditoren sei bisher noch gar keine Anmeldung eingegangen. Veit Kiebele, Schulleiter der Beruflichen Schulen in Mühlacker, berichtet ähnliches aus dem Enzkreis. Lediglich das KFZ-Handwerk sei relativ stabil. In anderen Bereichen bestätigt auch er die Beobachtung.
Ein großes Problem ist vor allem der Umstand, dass Betriebe immer weniger Praktika anbieten und damit potentiell interessierten Schülern keinen Einblick mehr in den Beruf ermöglichten. Das wiederum führt dazu, dass viele Schüler, die mit einer Ausbildung im Handwerk liebäugelten, lieber auf eine weiterführende Schule gingen. Eine Entwicklung, die sich bereits seit vielen Jahren abzeichnet, nun aber durch die Corona-Krise weiter verstärkt wird.
Matthias Morlock, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis, sieht ebenfalls Handwerksbetriebe in Zugzwang. „Es fehlen Auszubildende,“ so Morlock, „aber auch Ausbilder und der Willen zur Ausbildung.“ Gerade in der jetzigen Corona-Krise haben viele Betriebe volle Auftragsbücher und fehlende Azubis hätten große Auswirkungen, bis hin zur Frage, wer eigentlich später den Betrieb übernehmen könnte. Während viele Unternehmen Nachfolger suchten, wollten viele aber nicht ausbilden. „Eine Crux“, so Morlock.
Timo Gerstel warb hierbei für eine Ausbildung in kleineren Betrieben. Große Betriebe wie Porsche oder Mercedes-Benz seien sehr gefragt unter den Schülern und eine eventuelle Ablehnung bei den großen Marken führe oft zu so großen Enttäuschungen, dass gar keine Bewerbung mehr herausgeht, auch weil kleinere Betriebe weniger attraktiv erscheinen würden. Doch auch bei kleinen Ausbildungsbetrieben seien die Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen „fast unbegrenzt“.
Mut zur Selbsthilfe beweist die Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis mit einer eigenen Online-Plattform namens „Handwerk ist geiler“, die Interessierten eine zentrale Anlaufmöglichkeit für den Handwerksberuf der Wahl bieten soll. Neben Berufsvorstellungen bietet die Plattform auch eine Datenbank von freien Ausbildungsplätzen und Kontaktadressen in der Region.
- Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis: Aktionsseite „Handwerk ist geiler“