Soziale Träger berichten über Auswirkungen und neuen Situationen, die sich durch die Corona-Pandemie ergeben. (Lesezeit: 5 Minuten)
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Im Juli fand der jährliche Austausch des Paritätischen Kreisvorstands mit der Sozialdezernentin Katja Kreeb und Sozialbürgermeister Frank Fillbrunn statt. An der Gesprächsrunde über die Fortschreibung des Sozialentwicklungsplans, die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes sowie die Haushaltsplanungen 2021 beteiligten sich über 20 Vertreter*innen verschiedener paritätischer Mitgliedsorganisationen im Lebenshilfehaus in Pforzheim-Brötzingen.
Beispielhaft erzählen Mitgliedsorganisationen welche Auswirkungen und neue Situationen sich aufgrund der Corona-Pandemie ergeben. Claudia Jancura, Geschäftsführerin der Aidshilfe Pforzheim e.V. berichtet von ihrer Arbeit, sie seien von Anfragen von Sexarbeiter*innen überrannt worden. „Aufgrund der Corona-Pandemie konnten die Sexarbeiter*innen von heute auf morgen nicht mehr arbeiten und haben keine Möglichkeiten beim Jobcenter“, erklärt Jancura weiter. Viele ihrer Klient*innen informierten sich über Ausstiegsmöglichkeiten, jedoch sei die Finanzierung der Ausstiegsberatung unsicher, so Jancura weiter.
Die Lebenshilfe Pforzheim mit rund 550 betreuten Menschen mit Behinderung war zu Beginn der Pandemie vor die Frage gestellt, ob die Werkstätten analog zu den Pflegeheimen zu schließen sind beziehungsweise wie mit der besonderen Situation innerhalb der Eingliederungshilfe umzugehen ist. Oliver Keppler, Vorstand der Lebenshilfe Pforzheim e.V. kritisiert, „ich hätte mir zu Beginn der Pandemie einen Austausch mit der Verwaltung erhofft.“ Weiter ergänzt Keppler, „die vollständige Wiederaufnahme des Werkstattbetriebs Ende Juni sehe ich als kritisch an, da die Gefahr einer Ansteckung exponentiell steigt.“ Menschen arbeiten auf engstem Raum inklusive Körperpflege und andere körpernahe Leistungen zusammen. Zudem müssen die Fahrdienste wieder voll belegt werden, so dass eine besondere Gefährdung besteht.
Fillbrunn: Sozial- und Integrationsplanes wird fortgeschrieben
Im Vorjahresgespräch signalisierte Frank Fillbrunn den Sozial- und Integrationsplan noch in 2019 fortzuschreiben. Auf Nachfrage des Paritätischen zum derzeitigen Status, wiederholte Fillbrunn wie im Jahr zuvor, „wir werden den Sozial- und Integrationsplan fortschreiben.“ Auf die Bitte von Ute Hötzer, Mitglied im Kreisvorstand des Paritätischen die sozialen Träger dabei zu beteiligen, äußert sich Fillbrunn positiv, „wie in der Vergangenheit werden wir die Träger in diesen Prozess einbeziehen.“ Für den Enzkreis hält Katja Kreeb fest, „es werden aktuell verschiedene Teilpläne zu Themen wie Inklusion, Vielfalt und Jugendhilfe erstellt.“ „Trägervertreter sind und werden selbstverständlich in strategische Planungsprozesse einbezogen“, so Kreeb weiter und ergänzt, dass weitere Austauschtreffen für Oktober und November mit den Trägern geplant seien.
Kreeb: Im Bundesteilhabegesetz besteht Nachbesserungsbedarf
Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) soll für Menschen mit Behinderung mehr Teilhabe sicherstellen. „Vom Grundsatz her richtig gedacht, das Wort Teilhabe hat im Gesetz jedoch nichts zu suchen“, so Bruno Kohl, Vorsitzender im Förderverein für Behinderte e.V. und ergänzt, „weil es keine weitere Teilhabe ermöglicht, sondern die Betroffenen und deren Eltern damit beschäftigt sind die Möglichkeiten aus zu loten und Nachweise zu erbringen, so dass überhaupt Hilfe wie im bisherigen Umfang gewährt werden können.“
Auf die Bitte von Kohl das Gesetz den Bundestagsabgeordneten vorzulegen und um einen Neuentwurf zu werben, erwidert Kreeb „das BTHG wird als Gesetz nicht rückgängig gemacht und gravierende Änderungen sind in dieser Legislaturperiode nicht zu erwarten. Es besteht allerdings Nachbesserungsbedarf und hierfür setzen wir uns ebenfalls ein.“ Horst Dangelmayer, betroffener Vater eines Menschen mit Behinderung wirbt in diesem Zusammenhang für die Beteiligung an seiner Aktion, „wir haben eine Stellungnahme geschrieben, die auf die Mängel des BTHG hinweist und die auch aus Sicht von Betroffenen schildert, welche Probleme das bestehende BTHG schafft.“
Im Enzkreis aktuell keine Kürzungen im Sozialbereich geplant
Im Mittelpunkt der Austauschrunde stand die Haushaltsplanung 2021. Mit welchen Kürzungen ist zu rechnen, wie müssen sich Angebote trotz Aufrechterhaltung der Qualitätsstandards verändern. Die Sozialdezernentin teilt mit, „bislang haben wir für den Enzkreis keine Kürzungen im Sozialbereich eingeplant, dennoch gilt allerdings für die Zukunft mit den Trägern gemeinsam zu klären, wie wir eine gerechte Verteilung der Mittel des Sozialhaushalts garantieren, so dass allen Menschen entsprechend ihrem Hilfebedarf geholfen werden kann.“ Kreeb ergänzt weiter, „gleichzeitig muss jedoch die Kostenentwicklung im Sozialbereich so moderat gehalten werden, dass die Hilfen auch in Zukunft nachhaltig für zukünftige Generationen finanzierbar bleiben.“ Trotz regem Austausch, wurden aufgrund des sehr frühen Stadiums der Haushaltserstellung keine konkreten Details genannt.
Zu DER PARITÄTISCHE Regionalverbund Nordschwarzwald
Der Regionalverbund Nordschwarzwald ist einer der 11 Regionalverbünde im Landesverband, der sich im Rahmen der Neustrukturierung der regionalen Verbandsarbeit im Frühjahr 2019 gegründet hat. Ihm gehören die Kreisverbände Calw, Freudenstadt und Pforzheim/Enzkreis mit insgesamt 121 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen der Behindertenhilfe, Kinder- und Jugendschutz, Familie und Bildung, Straffälligen- und Opferhilfe, Suchtberatung und –hilfen, Teilhabe und berufliche Wiedereingliederung, Altenhilfe, Selbsthilfe sowie Mädchen- und Frauenarbeit, fachspezifische Beratungsangebote, Gesundheit und Prävention an.
Quelle(n): pm