„Trotz Hetze ist das Glas halb voll“

Klaus Scherer (2.v.r.) wurde von Rektor Prof. Dr. Ulrich Jautz sowie den wissenschaftlichen Leiterinnen Prof. Dr. Christa Wehner (r.) und Prof. Dr. Frauke Sander im Audimax der Hochschule Pforzheim begrüßt (Foto: Hochschule Pforzheim/Cornelia Kamper)

Mehrfach ausgezeichneter ARD-Reporter Klaus Scherer begeistert im Studium Generale der Hochschule Pforzheim.

(Lesezeit: 5 Minuten)

Hinweis: Dies ist ein Archivbeitrag.
Dieser Beitrag ist im Archiv von PF-BITS. Hier eventuell angegebene Telefon- und Kontaktmöglichkeiten sowie Terminangaben sind möglicherweise nicht mehr aktuell.

Klaus Scherer ist der Ideal-Typus eines Journalisten, der wohl öfter dahin geht, wo es auch mal weh tut. Ruhig und klar in der Ansprache. Fokussiert auf seine Fragen und Argumente. Muss er auch. Denn bei seiner Reise und seinen Recherchen begegnet er den Urhebern von Hass im Internet praktisch an deren Gartenzaun und fragt nach, warum sie gegen andere Menschen hetzen und ob sie es, angesichts von immer schärferer Strafverfolgung, wieder tun würden. Er spricht mit Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Wissenschaftlern, Opfern von Hass im Netz und eben auch mit den Tätern, denen er bisweilen ganz alltäglich-privat begegnet. Von dieser Reise mit Strafverfolgern gegen Hass im Netz berichtet er im Audimax der Hochschule Pforzheim als Gast im Studium Generale. Eindrücklich und so präzise und spannend, dass das Publikum begeistert ist, obwohl das Thema durchaus Betroffenheit erzeugt.

Scherer, langjähriger ARD-Reporter, Grimme-Preisträger und als ehemaliges Redaktionsmitglied von „Panorama“ seit Jahrzehnten mit investigativen Recherchen vertraut, ist Vollblutjournalist und sehr akribisch im Zusammentragen von Fakten. Der 61-Jährige beschreibt in seinem aktuellen Buch „Kugel ins Hirn“, aus dem er auszugsweise vorliest, wie Hass und verbale Gewalt im Netz, insbesondere in den Sozialen Netzwerken, seit vielen Jahren zunehmen und wie Strafverfolger und verdeckte Ermittler rechten Hetzern auf die Spur kommen. Dabei hat er sie begleitet und eine Entwicklung festgestellt. Zum Guten. Aber dazu später.

Die ehemalige Kanzlerin wird ins KZ gewünscht, der Holocaust im Kontext der Coronapandemie verharmlost und nicht selten wird aus virtuellen Androhungen Ernst – Gewalt bis hin zu Mord sind die Folge. Als trauriges Beispiel berichtet er von Drohungen gegen Walter Lübcke, als dieser noch lebte. Den CDU-Politiker erschossen rechtsradikale Mörder 2019 in seinem eigenen Garten. Klaus Scherer begibt sich auf die Suche nach Tätern. „Was sind das für Typen, sind die alle gleich oder sind die unterschiedlich? Das wollte ich zeigen und zwar mit offenem Ausgang. Nicht nur mit den Fahndern reden, sondern dann auch mit Tätern und deren Anwälten, bis hin zum Gang an den Gartenzaun, wo ich nicht weiß was passiert“, gibt Scherer offen Einblick in seine Arbeit. In seinen Vortrag streut er immer wieder Videoausschnitte ein, die seine Begegnungen und Gespräche zeigen. Er trifft Menschen, die ihr eigenes Verhalten abtun und wie ein Kavaliersdelikt behandelt wissen wollen. Lange war das auf Seiten der Gerichte auch so, berichtet der fachkundige Referent Scherer aus seinen Recherchen.

Strafverfolger reagieren auf Hass im Netz entschlossener denn je

Doch dank neuer Gesetze reagierten Strafverfolger auf diese Art von Hass im Netz entschlossener denn je. „Anfangs habe ich noch oft festgestellt, dass man den Konjunktiv, jemand würde jemandem etwas antun, wenn er nur könnte, juristisch zugunsten der Angeklagten ausgelegt hat. Von einer echten Absicht könne ja im Konjunktiv keine Rede sein, war die Begründung in vielen Fällen“, berichtet Scherer. Doch immer mehr Richter urteilen mittlerweile strenger. Scherer berichtet von einem Malermeister, den seine verbale Entgleisung im Netz 9.000 Euro gekostet hat. „Das macht der nicht mehr, da bin ich mir sicher. Überhaupt ist es wichtig, dass Gerichte Urteile mit abschreckender Wirkung sprechen. Nur so bekommt man ein Bewusstsein in die Köpfe der Menschen, dass das nicht in Ordnung ist, sonst würde der Gesetzgeber es nicht bestrafen. Das können Sie mit Rasern vergleichen. Es gibt viele davon und man wird nie alle erwischen. Aber jeder Raser weiß, dass es ihn erwischen kann und dass dann empfindliche Geldstrafen drohen“, erklärt Scherer.

Deshalb sei die Entwicklung gut, dass immer Delikte zur Anzeige kämen und auch verurteilt würden. „So gesehen, ist das Thema für mich, auch wenn es so viel Hetze im Netz gibt, ein eher halb volles Glas“, schmunzelt Klaus Scherer und gibt lakonisch zum Ende seine persönliche Empfehlung ab. „Man kann, erstens, bei der persönlichen Begegnung mit Hetzern denken, die haben Sie nicht mehr alle, um sich nicht weiter zu belasten. Oder zweitens darüber grübeln, ob man solchen Leuten nicht doch mehr zuhören müsste. Ich tendiere zu Erstens.“

Das Studium Generale setzt sein Programm am 23. November um 19 Uhr fort. Dann ist Dr. Mario Schmidt, Professor für Ökologische Unternehmensführung an der Hochschule Pforzheim, mit seinem Vortrag „Ist die Goldstadt Pforzheim auch Recyclinghauptstadt?“ zu hören.

Quelle(n): pm

Besim Karadeniz
Über Besim Karadeniz 4322 Artikel
Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.