„Globalisierung des Stammtisches“

Diskussionsrunde "Volkes Stimme? Rechtspopulismus in der Mitte unserer Gesellschaft" vom 4. Dezember 2017 im Kulturhaus Osterfeld (von links: Dr. Christoph Mährlein, Dr. Heidrun Kämper, Moderator Kolja Schwartz, Angelika Wohlfrom, Dr. Ralf Melzer)

Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung gibt Einblicke in den Rechtspopulismus

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Rund 70 Teilnehmer kamen am Montag zu einer Veranstaltung und Diskussionsrunde des Fritz-Erler-Forums, dem baden-württembergischen Ableger der Friedrich-Ebert-Stiftung in den Malersaal des Kulturhaus Osterfeld, die unter dem Titel „Volkes Stimme“ Rechtspopulismus in der Mitte unserer Gesellschaft“ einen Einblick in den Rechtspopulismus gab.

Es waren erschreckende Zahlen, die Dr. Ralf Melzer, Leiter des BayernForums (Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung) in seinem Impulsvortrag an die Leinwand warf. Gesammelt wurden die Zahlen durch eine repräsentative Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Zentrums Duisburg im Sommer 2016. Zwar gab die große Mehrheit von 84 % der Befragten an, dass die deutsche Demokratie im Großen und Ganzen gut funktioniere, was immerhin eine gute Basis sei. Allerdings teilten rund 28 % der Befragten neu-rechte Einstellungen. Zu viele kulturelle Unterschiede würden dem Zusammenhalt der Deutschen schaden (30 % Zustimmung) oder durch die Zuwanderung ginge die deutsche Kultur verloren (33 %). Unter anderem durch das Internet sei eine „Globalisierung des Stammtisches im großen Umfang“ zu beobachten.

Diese stetig steigenden Zahlen von weitgehend unkomplex zu verstehenden Inhalten sind Kernelement und Ergebnis des „modernen“ Rechtspopulismus zugleich, wie Dr. Heidrun Kämper vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim in der nachfolgenden Diskussionsrunde darstellte. Gleichzeitig sei Populismus aber schwer zu definieren und überdies im gesamten Spektrum zu beobachten. Eine immer stärkere Zuspitzung auf vereinfachende, oftmals fehlerhafte und mitunter völlig aus der Luft gegriffene Sachverhalte sorge jedoch in Gruppen mit vielen Befürwortern schnell zu wütenden Reaktionen und einer sprachlichen Gewaltbereitschaft. Wer so verbal gewaltbereit sei, sei wesentlich auch physisch dazu bereit. Wichtig sei eine stetige Aufklärung, beispielsweise historisch belastete Begrifflichkeiten wie „völkisch“ oder „indigene Völker“, die allesamt oftmals von Rechtspopulisten in augenscheinlich harmlose Kontexte gesetzt werden, zu erklären, da viele die Historie solcher Begrifflichkeiten gar nicht kennen würden.

Dr. Christoph Mährlein, Pforzheimer Rechtsanwalt und stellvertretender Vorsitzender der SPD Pforzheim, forderte Parteien dazu auf, intellektuell redlich gegen Rechtspopulismus zu agieren. Die Ängste in der Bevölkerung sind oft nicht bei denen, die abgerutscht sind, sondern bei denen, die Angst haben, abzurutschen. Besonders hier seien Thesen von „Bildungs-Rechten“ gefährlich, weil deren Absichten nicht sofort ersichtlich seien. Eine große Verantwortung sei es, etwas gegen die Verrohung der Diskurse zu tun und auch zu überlegen, wie im Internet eine stärkere Haftung für strafbare Inhalte umgesetzt werden könnte.

Angelika Wohlfrom, Redakteurin der Pforzheimer Zeitung, beklagt, dass Medien oftmals in einen Topf geworfen würden. Nicht alle Medien hätten 2015 eine uneingeschränkte Willkommenskultur an den Tag gelegt, beispielsweise habe die Pforzheimer Zeitung frühzeitig auch Fragestellungen zur Flüchtlingssituation beleuchtet. Auf die Frage des Moderators Kolja Schwartz, wie eine Meinungsbildung im Internet gesteuert werden könnte, verwies sie darauf, dass so genannte „Fakenews“, also verfälschte oder frei erfundene, nachrichtenähnliche Geschichten, ein stärkeres Problem seien, da diese gezielt eingesetzt würden und im Internet schnell geteilt würden von „Leuten wie du und ich“. Eine Aufgabe der Medien sei, über rechtspopulistische Entgleisungen zu berichten und Fakten zu prüfen.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.