Unwürdiges Kammerspiel

Ein Kommentar zur derzeitigen Diskussionsqualität rund um den Gemeinderat

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Politikverdrossenheit ist eine schlechte Entwicklung in einer Demokratie. Wenn nur noch 30 % der wahlberechtigten Bevölkerung zu einer Wahl gehen, ist das für die Pluralität einer Gesellschaft schon längst im roten Bereich. Freilich gibt es wiederum manche Tage, wo man fast schon froh sein sollte, dass sich offenkundig so wenig Bürger für die Arbeit ihres Gemeinderates interessieren. Der Dezember 2017 stellt da einen Tiefpunkt der Pforzheimer Gemeinderatsarbeit dar und macht wenig Hoffnung auf bessere Zeiten.

Dabei sind die Fakten der Diskussion über das „Schattengremium“ der acht Sprecher der Gemeinderatsgruppierungen plus OB Boch eigentlich klar: Es ist schlicht inakzeptabel, ein Gremium aus 9 hochrangigen Gemeinderatsmitgliedern plus OB aber minus Bürgermeister regelmäßig im Rathaus tagen zu lassen und deren Arbeit wird nicht öffentlich sichtbar protokolliert. Wenn sich mehrere Gruppierungen über diese Arbeitsweise mokieren, dann ist das deren Recht und zunächst einmal auch deren Pflicht. Der Gemeinderat hat als gewählte Vertretung der Stadtgesellschaft transparent und sichtbar zu arbeiten.

Zu erwarten ist eigentlich auch, dass der Gemeinderat würdig und respektvoll miteinander umgeht. Wenn aber bei berechtigter Kritik die öffentliche Kommunikation zwischen den Gemeinderatsgruppierungen von deftigen Schimpfwörtern geprägt ist, von einem „burlesken Auftritt vierer politischer Leichtmatrosen“ (Hans-Ulrich Rülke) geätzt wird und CDU-Kreisvorsitzender Gunther Krichbaum, der ja noch nicht einmal Gemeinderatsmitglied ist, in seinem Konter von der „vereinigten Linken“ parliert, die sich da aufbäumt, dann ist das Niveau des Miteinanders im Gemeinderat schon längst im zweiten Untergeschoss der Marktplatz-Tiefgarage angelangt.

Es geht nicht darum, wer die „vereinigte Linke“ darstellt, es geht auch nicht um Schuldzuweisungen und es darf eigentlich jetzt auch noch nicht Zeit für den Wahlkampf zur Kommunalwahl 2019 sein. Sondern es muss jetzt darum gehen, wie zum Beispiel die Bäderlandschaft Pforzheims nach 2018 aussieht, wie die von Boch in seinem Wahlkampf viel beschworenen „Spax“-Schrauben aus den Fensterrahmen Pforzheimer Schulen gegen Fenster ausgetauscht werden und wie die Innenstadt Pforzheims dem urbanen Wandel in den nächsten 20 bis 40 Jahren entgegentreten kann.

Themen, die allesamt hochkomplex, umfangreich und finanzintensiv sind und die sich keinesfalls für populistisches Dahergeplapper mit historisch denkwürdigen Kampfbegriffen eignen und sich auch nicht ohne weiteres in einfach klingende Fragesätze von Bürgerbefragungen eingrenzen lassen. Der Gemeinderat ist dazu gewählt, sich in diese Materiefelder einzuarbeiten und in Vertretung der Gesellschaft zu entscheiden!

Das, was jetzt gerade vor Weihnachten im Gemeinderat verbal passiert, ist ein Kammerspiel auf Dorfbühnenniveau und dem Gemeinderat einer 120.000-Einwohner-Stadt unwürdig. Alle Beteiligten im Gemeinderat und die Rathausspitze wären gut beraten, wenn sie sich trotz aller Diskrepanzen einmal in Ruhe zusammensetzen und darüber nachdenken, wie sie in der Öffentlichkeit miteinander umgehen.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.