Bunt ist es seit Freitag unter anderem in der Fußgängerzone. Aber nicht der Frühling macht das, sondern der Wahlkampf. (Lesezeit: 3 Minuten)
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Aus sarkastischer Sicht sind Wahlplakate ein gefundenes Fressen. Beispielsweise so: Man wähnt sich während eines Wahlkampfes selbst an einem Sonntagabend in der Fußgängerzone wie an einem belebten Samstagvormittag, bei so vielen Menschen. Wenn auch nur auf Wahlplakate, die für die Kommunal- und Europawahl seit Freitag, 18 Uhr auch in Pforzheim aufgehängt werden dürfen – und aufgehängt wurden.
Kein Laternenpfahl ohne Wahlplakat. In verschärftem Zustand: Kein Wahlplakat ohne mindestens zwei doppelseitig montierte Wahlplakate. Das macht schon auf einer Länge von 20 Metern locker 20 Wahlplakate. Üblicherweise hergestellt aus Polypropylen, einem sehr hochwertigen Kunststoff, der nur sehr schleppend recycelt wird und meist ein trauriges Ende in der Müllverbrennung findet.
Gerade Kommunalwahlen sind inzwischen eine regelrechte Materialschlacht geworden. Für eine Region wie Pforzheim investieren die größeren Parteien – tragfähige Zahlen erfährt man nicht – als unteres Limit üblicherweise 600 Plakate, Tendenz inzwischen deutlich steigend. Immerhin haben die großen Parteien auch am meisten zu verlieren. Da ist das Wahlplakat eine dankbare Geldausgabe, weil inzwischen schmerzlos. Das vor allem deshalb, weil bei bedruckten Plakaten das mühsame Plakatieren auf Holzträger entfällt. Lieber mal schnell noch ein paar hundert Plakate dazubestellen, kostet ja kaum noch etwas – der Marktpreis für A1-Plakate beläuft sich derzeit auf etwa 1,50 Euro brutto.
Nun kann man schon mit einfachen Zahlen erschreckende Rechnungen aufstellen: Nimmt man an, dass in Pforzheim jede der dreizehn Listen jeweils 600 Kunststoffplakate bedrucken lässt, kommt man auf 7.800 Plakate. Im Format A1 sind das 3,5 Tonnen Polypropylen. Anders dargestellt: Würde man all die 7.800 Plakate, die üblicherweise 2,5 Millimeter dick sind, aufeinanderstapeln, gäbe das eine stattliche Säule von fast 20 Metern. Kunststoff, der schon in sechs Wochen Abfall ist, für den Erdöl und Energie eingesetzt wurde. Und wir machen diese Modellrechnung hier nur von Pforzheim und mit eher konservativen Zahlen.
Tatsächlich darf man sich fragen, ob es etwas bringt, tausende Plakate im gesamten Stadtgebiet teilweise mit vier, sechs oder gar acht Plakaten an einer Stelle aufzuhängen, oder ob es reichen würde, einfach 500 Plakate mit dem neutralen Text „Es sind Wahlen, bitte informieren Sie sich oder schauen Sie wenigstens auf die Facebook-Werbung!“ aufzuhängen. Der Grat zwischen „informieren“ und „nerven“ ist in der gesamten Wahlkampfkommunikation nirgendwo so schmal wie bei Wahlplakaten (oder bei Bratwurstdämpfen, aber Bratwürste sind teurer).
Andere Städte üben sich erfolgreich im Verzicht auf Materialschlachten durch Selbstverpflichtungen auf eine bestimmte Zahl von Wahlplakaten. Könnten wir hier auch einmal probieren, anstatt die gesamte Innenstadt mit zugegeben hochwertigem Kunststoff zuzumüllen.