Die Stadt hat am Wochenende die Initiative ergriffen und ein Verbot der „Fackelmahnwache“ verfügt. Dem wurde zwar widersprochen, dennoch war dieser Schritt längst überfällig. (Lesezeit: 5 Minuten)
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Seit 1994 erträgt Pforzheim die „Fackelmahnwache“, die der Bombardierung der Stadt im Jahre 1945 „gedenken“ will. Mehr als 25 Jahre muss man diesem Umtrieb weitgehend ohnmächtig zuschauen, dass ausgerechnet Anhänger der Ideologie, die maßgeblich den Zweiten Weltkrieg begründet und beherrscht hat, den Opfern dieser Auslöschung gedenken wollen. Ein nur schwer erträglicher Anachronismus.
Versammlungsrecht ist allerdings Versammlungsrecht und so war es weitgehend absehbar, dass das am Samstag aus „Sicherheitsgründen“ ausgesprochene Verbot der Stadt sogleich vom zuständigen Verwaltungsgericht in Karlsruhe und der nächsthöheren Instanz in Mannheim, die von den Organisatoren der „Fackelmahnwache“ eiligst angerufen wurden, wieder einkassiert würde.
Dennoch: Es ist ein starkes und wichtiges Zeichen der Stadt und namentlich des Oberbürgermeisters Peter Boch und Bürgermeister Dirk Büscher, ein Verbot zu initiieren und damit ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu bringen. Und auch die Reaktion aus Gemeinderatsfraktionen und nicht zuletzt von den Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum und Katja Mast zeigen, dass die Message angekommen ist. Das Versammlungsrecht ist überarbeitungswürdig und muss mehr Möglichkeiten beinhalten, an besonderen Gedenktagen das Gedenken vor Provokationen zu schützen.
Dass viele Menschen in Pforzheim so denken, zeigen die Reaktionen auf die Schritte der Stadt, sowohl mit Applaus vor Ort auf den Gedenkveranstaltungen, als auch mit vielen Kommentaren auf den Social-Media-Kanälen der Stadt.
Kampf der Lähmung in den Köpfen
Der Verbotsversuch ist nicht nur als Signal für die Politik zu werten, hier endlich Lösungen anzubieten — auch ein Phänomen in der Wahrnehmung der Geschehnisse rund um den „Fackelaufmarsch“ wird zunehmend gefährlich. Denn wenn immer mehr Menschen vorgeben, genervt von all dem Buhei zu sein, der jedes Jahr auf dem Wartberg stattfindet, dann wird oftmals schnell darauf verwiesen, dass man die Rechten doch demonstrieren lassen solle, während die Gegendemonstrationen zunehmend zur Zielscheibe der Bürgerzorns werden.
Zweifellos, Gewalt ist immer das schlechteste Mittel, aber die Geschehnisse auf dem Wartberg müssen sorgsam und detailliert betrachtet werden. Es geht hierbei nicht darum, eventuelle Straftaten zu relativieren, sondern es geht um das „große Ganze“ und um die Frage, wie das ursächliche Problem gelöst werden kann.
Daher müssen den Versuchen für ein Verbot der „Fackelmahnwache“ nun konkrete Schritte folgen. Eine gesellschaftliche Diskussion ist nötig und wir dürfen nicht schon kurz nach dem 23. Februar wieder zum Tagesgeschäft übergehen, wie es die vielen Jahre zuvor passiert ist. Die Politik ist hierbei gefragt, denn letztlich halten sich Verwaltungsgerichte an Gesetze, die maßgeblich von der Politik gestaltet werden.
Und genau hier gibt es Raum für entsprechende Verschärfungen. Denn nach der Föderalismusreform von 2006 gehört das Versammlungsgesetz in die Kompetenzen der Länder, die selbst eigene Fassungen verabschieden können. Das ist unter anderem in Baden-Württemberg bisher nicht geschehen, so dass weiterhin die Fassung des Bundes gilt.
Dass es anders geht, zeigt Bayern mit dem Bayerischen Versammlungsgesetz und hier im Artikel 15, zweiter Absatz:
(2) Die zuständige Behörde kann eine Versammlung insbesondere dann beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen
1. die Versammlung an einem Tag oder Ort stattfinden soll, dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, und durch sie
a) eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer zu besorgen ist, oder
b) die unmittelbare Gefahr einer erheblichen Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen besteht oder
2. durch die Versammlung die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht, gerechtfertigt oder verharmlost wird, auch durch das Gedenken an führende Repräsentanten des Nationalsozialismus, und dadurch die unmittelbare Gefahr einer Beeinträchtigung der Würde der Opfer besteht.
Konkret muss also hier die Landespolitik ran, in Baden-Württemberg ein zeitgemäßes Versammlungsgesetz zu entwickeln und zu verabschieden. Das ist der richtige und einzig gangbare Weg für Politik und Gesellschaft und daher sollten Politiker und Abgeordnete in Pforzheim dahingehend Initiativen starten.