Ein städtebaulicher Frühzünder: Der City-Einkaufspark

Das Logo des ehemaligen City-Einkaufsparks

Das "G19"-Gebäude lässt allenfalls noch erahnen, was hier einst mit dem "City-Einkaufspark" für eine mutige Idee zur falschen Zeit auf die Welt kam.

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Sehr viel Glamour gibt es nicht mehr im „G19“-Gebäude an der Goethestraße. Das übertrieben großflächige Gebäude, die in Sackgassen endenden Rolltreppen, die seltsam geschnittenen Innenräume mit dem Atrium lassen den Besucher, der nicht die Geschichte dieses Hauses kennt, einigermaßen ratlos zurück. Immerhin kann man den Eindruck gewinnen, dass hier einmal ein größeres Einkaufszentrum gewesen sein muss.

Vorderansicht des Einkaufszentrums „G19-Galerie“

Das gab es hier auch, nämlich den einstigen „City-Einkaufspark“, der untrennbar mit einer schillernden Persönlichkeit der Nachkriegs-Wirtschaftsgeschichte Pforzheims verbunden ist: Der einstige Steuerberater, Unternehmer und Bankier Heinz Steinhart gründete Anfang der 1980er Jahre das „Bankhaus Steinhart“, das seine Büroräume exakt neben dem City-Einkaufspark hatte und eine optische Einheit mit dem Gebäude bildete.

Auf dem einstigen Gelände der Scheideanstalt Doduco, die einige Jahre davor in neue Gebäude ins Gewerbegebiet Altgefäll gezogen war, ließ Steinhart passgenau zwischen bestehenden Gebäuden einen imposanten Gebäudekomplex errichten, der in der Zeit um 1982, als der City-Einkaufspark eröffnete, fast phantastisch klang und im heutigen Städtebau erstaunlich modern klingt: Ein Häuserblock, der Wohnfläche, Parkhaus, Büroflächen und ein Einkaufszentrum beheimatete. Nicht so groß, dass es eine Mall nach amerikanischem Vorbild wäre, dafür aber mit einem Mix aus wenigen Großmietern und vielen kleineren Einzelhandels- und Dienstleistungsgeschäften. Die wiederum sollten sich in so einem Einkaufszentrum wohlfühlen, um auch die Kundschaft anzuziehen, die eben nicht zu den Großgeschäften wollten, sondern zu den kleinen Spezialgeschäften.

Das ganz große Ding in der schon vom Strukturwandel betroffenen Goldstadt: Die Lokalpresse war voll des Lobes, Steinhart, der Investor und „große Visionär“, wurde quasi durch die Straßen getragen und zur Eröffnung schickte der Süddeutsche Rundfunk sogar ein Kamerateam, um einen Beitrag für die abendliche Abendschau zu produzieren.

Die Idee war – und ist – auch schlicht grandios und kam mit dem City-Einkaufsmarkt schlappe dreißig Jahre zu früh. Noch gab es Anfang der 1980er nur Kaufhäuser und Einzelhandelsgeschäfte, von Stores großer Labels war wenig zu sehen (mit Ausnahme vielleicht des Store-Konzept-Pioniers Benetton). Doch schon damals zeigte sich, dass sich die Kaufkraft langsam aber sicher vom Einzelhandel in Richtung Kaufhaus schob und kleine Einzelhändler durch steigende Mieten in der Innenstadt eher in die Außenbereiche der Stadt gedrängt wurden. Ein Effekt, der heute das zentrale Problem vieler Innenstädte ist und durch den Online-Handel noch erheblich beschleunigt wird.

Da heute viele Einzelhändler dichtmachen, entsteht eine merkwürdige Situation, nicht nur in Pforzheim: Ladengeschäfte stehen leer, aber da die Gebäude oftmals längst abgeschrieben sind und durch die darüber liegenden Büroflächen genügend Einnahmen bescheren, bleiben die Ladengeschäfte auch leer. Für Marken-Stores sind jedoch diese Handelsflächen auch wiederum uninteressant, weil zu klein.

Dafür gibt es viele sehr kleine und engagierte Einzelhändler mit einem sehr spezialisierten Sortiment, die sich allerdings so ein zentrales Ladengeschäft niemals leisten könnten. Ergo: Ein Einkaufszentrum im Sinne von einer gemeinsamen Fläche, die sich aufteilen lässt, wäre die perfekte Lösung. Etwas, was Pforzheim mit dem City-Einkaufspark schon Anfang der 1980er Jahre hatte, aber nie wirklich lieben gelernt hat.

Gute Lage – schlechte Lage

Denn an der vermeintlichen Zentralität stand und fiel der City-Einkaufspark. Die stark befahrene Goethestraße trennte den City-Einkaufspark und nur mit einer extra gebauten Fußgängerbrücke auf „überbrückbare“ Weise. Eine eigene Bushaltestelle bekam das Gebäude auch nie, weil es wiederum zu nah am Leopoldplatz war.

Und mit den überall verewigten Achtecken, die sich auch heute noch in Fassaden, Säulen, Geländern und vielen anderen Stellen finden, bekam das Gebäude ein unverkennbares Design, das bis in das Corporate Design ging – man beachte das Logo, das nicht nur das „C“ symbolisierte, sondern als Draufsicht den gesamten Häuserblock. Hier hatten sich Grafiker, Designer und Architekten wirklich bis zum Exzess ausgetobt, bis hin zur Rückseite. Nicht unbedingt schön, aber auf jeden Fall liebevoll zum Detail und sehr durchdacht.

Die Rückseite des Einkaufszentrums „G19-Galerie“ im einstigen Stile des „City-Einkaufsparks“

Und selbst das Konzept der einheitlichen Vermarktung funktionierte. In vielen Kellern und Speichern dürfte auch heute noch die ein oder andere City-Einkaufspark-Plastiktüte liegen, die mit einem zentralen Center-Marketing auch das vorwegnahm, was heute jedes Einkaufszentrum versucht.

Andererseits funktionierte dieses Ensemble auch nur als Gesamtkunstwerk. Schon einige Jahre nach dem Start begann eine hohe Fluktuation der Mieter. Die Idee, einen Flanierpalast hinzustellen, ging nicht auf, denn dafür war der City-Einkaufspark dann doch wieder zu klein. Dazu kam die unvermeidliche Abwirtschaftung von Gebäude und Gelände, die Turbulenzen rund um das Bankhaus Steinhart. Und immer stand das zentrale Problem, dass der City-Einkaufspark seltsam abgehängt von der Innenstadt stand, obwohl es nach Entfernungsmaßstäben anderer Innenstädte praktisch direkt vor der Tür war. Die schon damals massiv überlastete Goethestraße trennt die Innenstadt zum Westen hin extrem stark ab. Da half auch die Brücke nicht, obwohl die Rolltreppen anfangs sogar Tag und Nacht liefen.

Das Experiment des City-Einkaufsparks endete nach etwas über zehn Jahren wieder. Das Gebäude wurde von einem Investor gekauft, der daraus die „Goethegalerie“ bastelte und vor allem mit Discountermarken versuchte, das Konzept in deutlich und vor allem sehr lieblos verkleinertem Rahmen weiterzuführen. Und auch um die Brücke entstand ein lang andauernder Streit, denn die von immer stärkerem Befall bedrohte Brücke hätte entweder saniert oder abgerissen werden müssen, was dann letztlich auch nach erheblichem Druck geschah. Begehbar war sie da schon lange nicht mehr.

In Sachen Büroflächen hielten sich viele Mieter erstaunlich lange und auch „kreative Lösungen“ fanden ihren Platz, beispielsweise vorübergehende Klassenzimmer der benachbarten Gymnasien. Die Räume des ehemaligen Bankhauses wurde später auch als vorübergehendes Quartier für Banken genutzt, deren eigentliches Hauptquartier vorübergehend aufgrund von Neubauten ausfiel. Das immer noch zentral gelegene Parkhaus wird immerhin heute immer noch komplett bewirtschaftet, auch wenn das sowieso schon enge Parkhaus Zeugnis einer Zeit ist, in der Autos noch deutlich kleiner waren.

Bilder von einem „Lost Place“

Beeindruckende Fotos vom „Lost Place“ des einstigen City-Einkaufsparkes finden sich auf einer privaten Website mit dem etwas seltsamen Namen „Ufoport Glufenteich“. Vor allem die einst begehbaren und spektakulären Dachflächen, die zu einem Teil unter anderem vom Gastronomen Ernst Meeh mit dem Restaurant „Chez Ernschtle“ bewirtschaftet wurden, lassen ahnen, was Steinhart hier einst versuchte zu etablieren.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.