Termin beim tierischen Therapeuten

"Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde" heißt es in einem alten Sprichwort. Und großes Glück hat man auch, wenn man auf einem Pferderücken eine Gesundheitsverbesserung erlangen kann.

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Strahlender Sonnenschein an blauem Himmel herrscht an diesem Tag in Bauschlott. Der kleine Mischling „Muffin“ rennt im Wechsel rechts und links des Weges über den Grasstreifen. Auf dem Therapiepferd „Monty“ sitzt Tobias Münch und versucht das Gleichgewicht zu halten und die schaukelnden Bewegungen auszugleichen. Er ist nach einer Querschnittlähmung seit 7. Januar 2020 hier in Pforzheim im Zentrum der Rehabilitation und macht eine Intensivtherapie. „So wie andere jeden Tag ins Geschäft gehen, habe ich täglich bis zu sechs Stunden Physiotherapie“, erklärt der 31-jährige Berliner. Er wohnt in einem Appartement neben der Reha-Stätte und wird hier genau so versorgt, wie wenn er in einem gewöhnlichen Rehazentrum wäre, bei denen der Aufenthalt allerdings nur auf wenige Wochen begrenzt ist.

Als sinnvolle Ergänzung zur Behandlung durch die Physiotherapeuten in der Nordstadt wird Tobias Münch zweimal in der Woche nach Bauschlott zu Sonja Münchinger gefahren, die dort auf einem Bauernhof die sogenannte „Hippotherapie“ anbietet. Münchinger ist ausgebildete Physiotherapeutin mit der Weiterbildung zur Hippotherapeutin. Ihr wichtigster Mitarbeiter ist „Monty“, ein weißer Wallach, der als spezielles Therapiepferd ausgebildet wurde.

„Monty“ hat eine besondere Ausbildung

Ein Therapiepferd muss freundlich und zuverlässig sein und noch ruhig bleiben, wenn ein unerfahrener Reiter oder Menschen mit einer Behinderung auf seinem Rücken sitzen. Auch wenn schreiende Kinder um das Pferd herumspringen, darf es nicht unruhig werden. „Meine Therapiepferde, mit denen ich arbeite, haben alle den sogenannten Therapiepferd-Schein, auf den wir uns monatelang mit Training vorbereitet haben“, erklärt die junge Hippotherapeutin.

Monty zum Beispiel ist als Therapie- und gleichzeitig als Reitschulpferd eingesetzt. Bei einem Reitpferd werden Kommandos über den Druck der Beine gegeben, allerdings gilt diese Anweisung nicht, wenn zum Beispiel ein Patient auf dem Pferd sitzt. Deshalb ist es wichtig, dass dies trainiert wird. So lernt das Pferd beispielsweise, dass wenn jemand an der Rampe von einem Rollstuhl aus auf den speziellen Sattel steigt, dass jetzt eine Therapiestunde beginnt und die Kommandos nicht mehr vom Reiter kommen sondern von der Therapeutin, die nebenher läuft.

Der Pferderücken überträgt durch die Bewegung zahlreiche Impulse auf den Reiter, der viele Muskeln im Oberkörper, der Hüfte und in der Wirbelsäule aktivieren muss. Dem Patienten kann so geholfen werden, da die übertragenen Signale im Körper des Reiters die gleichen Muskelgruppen anspricht, die zum Gehen benötigt werden und dies so wieder erlernt werden kann.

Tobias Münch reitet auf Therapiepferd „Monty“

Bei Tobias Münch sollen durch die Bewegung des Pferdes dem Hirn immer wieder Impulse geschickt werden, wie das Laufen funktioniert. Durch ständige Wiederholungen muss man dem Kopf zeigen, wie die Bewegungen ablaufen müssen. Das ist sehr zeitaufwendig, lohnt sich allerdings, da die Therapie am lebendigen Pferd durch keine Maschine oder einen Reitsimulator ersetzt werden kann.

Mehr Lebensfreude und Selbstbewusstsein

Durch die Reittherapie werden noch viele andere Sinne aktiviert. So ist es zum Beispiel für einen Patienten, der sonst im Rollstuhl sitzt oder sich nur mit Krücken oder einem Rollator fortbewegen kann, ein tolles Gefühl, auf einem Pferd zu sitzen, da man ihm seine Behinderung nicht ansieht. Es hat einen motivierenden Nebeneffekt, wenn man etwas kann, was alle gesunden Menschen auch machen.

Patienten, die sonst nur abgeschirmt von der Außenwelt in einem Krankenzimmer liegen, werden bewusst der Natur ausgesetzt und erfahren dort Dinge, auf die sie verzichten mussten: neue Gerüche, andere Geschmäcker und verschiedene Geräusche, vielleicht auch mal ein leichter Regen, vor dem man sonst ferngehalten wurde. All diese Sinneswahrnehmungen sind unheimlich wichtig für eine erfolgreiche Therapie.

Tobias Münch sieht der Zukunft positiv entgegen. Er hat Physik und Mathematik studiert und würde gerne im Bereich Halbleiter in die Forschung gehen. Für ihn wird es kein leichter, aber sicherlich machbarer Weg sein zurück zum selbstständigen Laufen. Und Sonja Münchinger und „Monty“ werden ihn bis dahin noch weiter begleiten.

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Björn Fix (bf), Jahrgang 1970, passionierter Fotoreporter und ständiger Mitarbeiter bei PF-BITS seit der ersten Stunde. Als gut informierter, zuverlässiger und gern gesehener Zuschauer und Beobachter ist er vor allem zuständig für aktuelle und "fixe" Berichterstattungen aus der Region.