Absurde Innovation rund um die Packstation

DHL-Packstation

In die Packstation eingelegte Pakete können trotz Benachrichtigung nur mit einem Smartphone abgeholt werden. Kein Smartphone - kein Paket.

(Lesezeit: 4 Minuten)

Reichlich absurd wirkte die E-Mail des Paketdienstleisters DHL Anfang des Monats schon: Da wurde nämlich feierlich die Installation einer neuen Packstation angekündigt – die in der Karolingerstraße in der Nordstadt. Die freilich ist aber gar nicht so jung, sondern existiert bereits seit 2005 und war eine der ersten Packstationen überhaupt.

Dass aber doch etwas neu ist, merkte ich heute, als ich zufälligerweise an der Packstation vorbeifuhr und eine alte Dame mit Rollator winkte. Ich hielt an und schaute in ein einigermaßen verzweifeltes Gesicht. Die Dame erwarte ein Paket ihrer Versandapotheke, das ihr nicht nach Hause zugestellt werden konnte. Deshalb sei sie nun den langen Weg bis zur Packstation gelaufen, in die der Paketbote das Paket ersatzweise deponiert hatte. Das war für sie an und für sich auch kein Problem, kennt sie sich doch mit der Packstation aus. Dachte sie jedenfalls.

Denn mit ihrer Benachrichtigungskarte und dem darauf abgebildeten Barcode konnte sie an dieser Packstation nichts anfangen: Die Packstation hat neuerdings keinen Bildschirm und auch keinen Barcode-Scanner mehr. Stattdessen muss der Paketgänger nun die Benachrichtigungskarte mit seinem Smartphone und der darauf installierten DHL-App scannen und auf diese Weise das Fach mit dem Paket von der Ferne aus öffnen lassen. Das kleine runde Fensterchen im stilisierten Smartphone auf der Packstation ist übrigens perfiderweise kein Scanner, sondern hier verbirgt sich die Antenne, um mit Netz und Smartphone des Kunden Kontakt aufzunehmen.

Das ist natürlich alles super für die alte Dame, die gar kein Smartphone hat. Und auf diese Weise, so haben wir beide heute gelernt, vor Ort an der Packstation erst einmal jemanden mit Smartphone und DHL-App finden muss, der ihr ihre Benachrichtigungskarte scannt und das Fach öffnet. Dann immerhin kann ich ihr Paket aus dem Schrank holen. Übrigens auch jemand, der eine verlorene Benachrichtigungskarte findet. Immerhin wird der Abholer in der App darauf hingewiesen, dass er bitteschön darauf achten soll, fremde Pakete nur aus der Packstation zu holen, wenn er auch berechtigt ist. Wie aufmerksam.

DHL macht Packstationen dümmer

Tatsächlich ist diese Packstation jetzt wieder eine der ersten, nämlich ohne Scanner und Bildschirm. Und damit dümmer als früher. Wer nämlich den Weg zur Packstation nimmt, um das dort unfreiwillig deponierte Paket abzuholen, schaut zuerst einmal auf geschlossene Fächer. Was DHL als Innovation verkaufen möchte und in ihrer Kommunikation darauf verweist, dass auf diese Weise Packstationen sicherer vor Vandalismus seien, ist genau betrachtet ein regelrechter Inklusionsschreck.

Im Kleingedruckten findet sich übrigens dann doch noch der Hinweis, was man als nicht mobiler und smartphone-loser Mensch machen kann: Eine Ersatzzustellung auslösen, die immerhin beim zweiten Versuch noch kostenlos ist, so DHL. Startet man diesen Vorgang – das geht dann auch telefonisch – fährt der Paketbote am nächsten Tag zur Packstation, holt das zuvor eingelegte Paket wieder heraus und versucht es in seiner nächsten Runde nochmal zuzustellen. Vielleicht heute, vielleicht aber auch erst morgen.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.