Anleitung für das perfekte Sommerloch-Thema

Das Sommerloch (schematische Darstellung)

Sie brauchen Reichweite? Machen Sie doch ein Sommerloch-Thema! (Mit Bild)

(Lesezeit: 6 Minuten)

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Sommer, Sonne, Ferien, Urlaub! Wirtschaft und Politik fahren auf Sparbetrieb und dennoch ist diese Zeit für Leute, die Nachrichten schreiben oder in der Öffentlichkeit für Nachrichten sorgen (sollen/müssen) eine wichtige und interessante Zeit. So genannte Sommerloch-Themen gehören zur festen Folklore unserer Gesellschaft und bieten neben schier grenzenloser Unterhaltung oftmals auch genau den Mangel an Nachhaltigkeit, den man eben für ein vorübergehendes Thema und 15 Minuten Ruhm braucht.

Wir haben zehn goldene Regeln für das ideale Sommerloch-Thema zu einer Anleitung zusammengetragen, die universell in Politik, Wirtschaft, Medien, Internet oder auch in allen zusammen eingesetzt werden können.

1. Bauchthema, aber niemals direkt!

Wichtig ist, bei einem bestehenden Megathema einen Ausschnitt für ein Sommerlochthema zu nehmen und zwar möglichst abstrakt, aber immer noch so, dass es sich zu inneren Bildern formen lässt – es sich also „framen“ lässt. Ideales Beispiel sind die regelmäßig in Medien aufpoppenden „Freibad-Unruhen“ in Berlin-Neukölln. Darin verpackt sind Integrationsmängel, „Ausländer“ im weitesten, Flüchtlinge, verschobenes Frauenbild. Wer dann am Ende Unruhen ausgelöst hat und ob es überhaupt welche gab, ist am Ende völlig egal.

Im Falle des vermeintlich ausgebrochenen Löwen in Berlin lassen sich auch ideale Bilder erzeugen: Böses Tier, frisst unsere Tiere, kann nur wegen Klimawandel leben, scheint superschlau, Löwe gibt keine Interviews, die Polizei schützt uns auf jeden Fall.

2. Nicht an bestehende Kampagnen hängen!

Alles vermeiden, was nachhaltig wirken könnte und dazu gehört, dass das Thema alleinstehend bleibt und sich möglichst nicht für Trittbrettfahrer eignet, außer für Gegenmeinungen. Für besondere Herausforderungen sorgen Kampagnen, die schon von der eigenen Parteiführung nicht geteilt werden.

3. Geheimhaltung in der Planungsphase!

Nicht quatschen, sondern schreiben und hören. Sommerloch-Themen müssen generalstabsplanmäßig aufgezogen werden und dank ihrer politischen Leichtigkeit leben diese Themen davon, dass sie schnell und laut gezündet werden – es wäre schade, wenn da der politische Konkurrent oder ein Kollege aus der Fraktion in die Parade fährt. Idealerweise fängt man rund um die Pfingstwoche mit der zeitlichen Planung und der Recherche an.

4. Gute Vorbereitung!

Selbst wenn es nur als Lückenfüller vermarktet werden soll – auch ein Sommerloch-Thema muss vorab gut recherchiert und vorbereitet werden. Zudem ist für Begleitmaterial wie Begleittexte, Statistiken und Bildmaterial zu sorgen. Abo für die Videoconferencing-Software überprüfen!

5. Zeitlich gut planen!

Unumgänglich ist natürlich die Positionierung des Themas unmittelbar am Anfang der Sommerferien und vor dem eigenen Urlaub. Doch Achtung: Am besten eine Woche vor dem eigenen Urlaub positionieren. Mittwoch oder spätestens Donnerstag Pressemeldung heraussenden und auf Freitagvormittag zur Pressekonferenz laden. Journalisten freuen sich aufs Wochenende und brauchen leichte Kost für das Feuilleton am Wochenende.

Nach einem gelungenen Start ist dann das Wochenende für erstes Nachhaken von Medien reserviert (beispielsweise Statements im Rundfunk und Fernsehen und Printmedien, die am Montag berichten wollen).

Einschub: Das versprochene Bild
Eine Pforzheimer Ziege im Wildpark Pforzheim (Archivfoto)

6. Mitarbeiter und Kollegen briefen!

Politik, Wirtschaft und Nachrichtenlandschaft urlauben nicht, auch nicht während der Sommerferien. Deshalb sind die eigenen Mitarbeiter beim Sommerloch-Thema ganz besonders einzubinden und ein Stab für das Sommerloch-Thema einzurichten, der die Kampagne betreuen wird.

Der Stab reagiert auf Anfragen und hält Verbindung zum Themensetzenden. Und gleichzeitig sind die Kollegen in der Öffentlichkeitsarbeit auch während der Sommerferien adäquat beschäftigt.

7. Ernsthaft verkaufen!

Die ernsthafte Vermittlung des Sachverhaltes ist das A und O. Im Zweifelsfall genügt es auch, nur so zu tun, als ob das Thema ernsthaft verkauft wird. Sprich: Alle Register der Öffentlichkeitsarbeit müssen gezogen werden: Pressemitteilung, breitester Presseverteiler, Pressekonferenz, Hintergrundgespräche, Dossiers, Bereitschaft für Interviews.

Bei akutem Themenmangel in der Nachrichtenlandschaft kann so von Redaktionen sehr flexibel reagiert werden und dann muss es auch schnell gehen. „Sei fleißig, mache Eins-Dreißig“ ist ein geflügeltes Wort für Fernsehjournalisten, denn 90 Sekunden lang ist der ideale Nachrichtenbeitrag. Und da soll das perfekte Sommerloch-Thema ja schließlich möglichst schnell auch hin!

8. Material bereithalten!

Eine gute Kampagne lebt natürlich von Hintergrundmaterial, aber auch von ihren “Waschzetteln”, als den Papieren, die auf der Pressekonferenz ausliegen und auf einer A4-Seite alles Notwendige enthalten. Nicht vergessen, dass auch ein Sommerloch-Thema selbstverständlich eine gute Pressemappe und – ganz wichtig – Fotomaterial enthalten sollte.

9. Themen-Amnesie steuern!

Ein perfektes Sommerloch-Thema ist pünktlich zum Ende der Sommerferien bereits von allein versandet. Falls das nach den Sommerferien noch nicht allen klar ist: Ansprechen und intern erklären, dass das Thema erledigt ist.

10. Notfallausstieg planen und im Hinterkopf haben!

Nichts ist bei einem Sommerloch-Thema gefährlicher als eine Manifestierung des Themas in der öffentlichen Wahrnehmung. Daher ist es wichtig, neben der engen Kampagnenführung auch immer eine Exit-Strategie (vorab!) zu planen. Man kann immer noch sagen, dass man sich geirrt hat, die Zeit vermeintlich noch nicht reif ist, kein Geld da ist, mit der Partei XYZ kein Konsens zu erreichen wäre oder, ultimativ, es angeblich gegen EU-Recht verstößt.

10a. Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis!

Die Forderung nach Gründung eines Arbeitskreises/Runden Tisches/Gipfelgesprächs zur vermeintlichen Lösung des Problems ist bei einem Sommerloch-Thema, das sich partout nicht austreten lässt, ein dankbarer Ausgang. Zum einen braucht die Gründung eines Arbeitskreises viel Zeit und Expertise. Die hat man bei einem Sommerloch-Thema aber von Hause aus nicht, weil ja irgendwann Sommer und Sommerferien durch sind.

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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen.