Geh’ auf Sendung, Mühlacker!

Für den Pforzheimer ist die “Senderstadt” Mühlacker kurz vor JWD – “janz weit draußen”. Und während man sich andernorts verzweifelt um Kita-Plätze und Industriegebiete bemüht, hat Mühlacker ein “Antennenproblem”.

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Ich gebe ja zu, dass mich die Sendeanlagen von Mühlacker eine ganze Weile in meiner Kindheit begleitet haben. Das erste Radio wurde auseinandergenommen (und nicht mehr zusammengebaut), Radiohören wurde zur Leidenschaft und das Staunen, in den 1980er Jahren viele hundert Kilometer von Mühlacker entfernt auf der Kurzwellenfrequenz 6.030 kHz einen SDR-Sender zu hören, wird unvergessen bleiben.

Nur: Die Zeiten des Sendens aus Mühlacker sind weitgehend vorbei. Kurz- und Mittelwellensender gibt es nicht mehr und auf UKW wird nur noch ein Programm mit einer bescheidenen Leistung von 2 Kilowatt ausgestrahlt (auf Mittelwelle wurde immerhin 100 Kilowatt Sendeleistung erreicht). Die Sendeanlagen von Mühlacker sind – so deutlich muss man es vielleicht einmal sagen – nur noch übergroße Blitzableiter, für die der öffentlich-rechtliche SWR jährlich einen hohen fünfstelligen Betrag zur Unterhaltung leisten muss. Also für einen Haufen nutzlosen Stahl, der noch nicht einmal besichtigt werden kann.

Es geht aber noch skurriler: Die ehemaligen Sendeanlagen sollen laut hiesiger Kommunalpolitik und Bürgerinitiative sogar bestehen bleiben, ohne Sinn und Zweck. Und man erwartet dabei allen ernstes sogar noch, dass der SWR auch weiterhin einen Großteil der Unterhaltskosten des Denkmals trägt. Und das in Zeiten, in denen ARD & ZDF alle Register ziehen müssen, um mit den Rundfunkgebühren auszukommen.

Wo bleibt der Mut, Mühlackeraner?

Dabei wäre es Mühlacker doch wirklich zu gönnen, einmal die große Schallplatte aufzulegen und sich neu zu erfinden. Zum Beispiel mit einem Rundfunkmuseum. Nicht lachen – es gäbe nämlich einiges, was Mühlacker da sehr gut machen könnte:

  • Die meisten Rundfunk-Museen im Land beschränken sich auf Empfangsgeräte. Schlicht und einfach deshalb, weil eben nicht jeder Museumskurator zufälligerweise eine ehemalige Sendeanlage in der Nachbarschaft hat.
  • Zudem sind die meisten Rundfunk-Museen privater Natur, weil sie meist aus einem privaten Hobby heraus entwickelt wurden. Ein Rundfunk-Museum, das eine Stadtgesellschaft hinter sich hat und das Stadtsymbol schlechthin weiterträgt, ist eine ganz andere Hausnummer.
  • Außerdem ließe sich ein Rundfunk-Museum – mit einer gehörigen Portion Willen und Mut – zu einem lebendigen Konstrukt entwickeln. Sender, die ihr altes Equipment zur Verfügung stellen. Oder ein echtes Studio, aus dem sich bei Bedarf sogar senden ließe. Ein Veranstaltungsort, der historische und moderne Technik vereinen könnte mit einer der wichtigsten Kulturgüter überhaupt.

Schon allein das und noch viel mehr wären echte Hingucker für ein angemessenes Museum einer vom Rundfunk geprägten Stadt wie Mühlacker und würde mit großer Sicherheit auch ein entsprechendes Publikum anlocken, das sich sonst eher nicht nach Mühlacker verirrt. Wegen rot-weiß gestrichenen und langsam vor sich hinrostenden Stahl-Spargel allein kommt niemand.

Man muss nur wollen. Oder um es im Sinne einer mutigen Senderstadt zu sagen: Es lohnt sich, auf die eigentliche Aufgabe einer Antenne zu schauen. Es muss von einer Stelle aus lediglich mit genügend Leistung gesendet werden, dann wird es auch gehört.

Addendum

In der Zwischenzeit hat Günter Bächle, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreisrat Enzkreis und im Gemeinderat Mühlacker, auf diese Kolumne geantwortet:

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