Pforzheims Kulturhauptstadtsbegierde und das fehlende Herzblut

Kommt am Dienstag das Ende der Träume für eine Bewerbung Pforzheims zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025? Tatsächlich wäre alles andere als ein Ende eine Überraschung.

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Acht Monate war die Bewerbung Pforzheims als Europäische Kulturhauptstadt 2025 innerhalb der Stadtgesellschaft oft Grund erbitterter Diskussionen. Oder auch nicht. Denn interessanterweise ist das Thema Europäische Kulturhauptstadt in vielen Kreisen selbst nach acht geschlagenen Monaten überhaupt nicht angekommen.

Man kann jetzt darüber philosophieren, ob das schlecht ist oder vielleicht doch ganz gut. Denn Fakt ist, dass eine Bewerbung eine gewaltige Stange Geld kosten würde und die Idee einer rein privatwirtschaftlichen Finanzierung von Bewerbung und Kulturhauptstadt (bei einer geglückten Bewerbung) von der Jury, die über die deutsche Stadt im Kulturhauptstadtjahr 2025 entscheidet, nicht akzeptiert wird. Die Stadt muss sich laut Regularien zwingend an der Finanzierung signifikant beteiligen, um so eine gesellschaftliche Akzeptanz darzustellen. Und genau bei der gesellschaftlichen Akzeptanz fängt die Misere auch schon an.

Kein Blut ohne Herz und umgekehrt

Was ist in den letzten acht Monaten passiert? Wenig, was an der gesellschaftlichen Basis angekommen wäre. Macht man sich nämlich die Mühe, beispielsweise auf dem Haidach (aber keinesfalls nur dort) mit Menschen ins Gespräch über eine Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt ins Gespräch zu kommen, wird es schnell hochnotpeinlich. Von einem Wunsch für eine Bewerbung wissen die wenigsten, geschweige denn was die Europäische Kulturhauptstadt überhaupt darstellt. Die Frage, wie man denn zu den ungefähren Kosten so einer Bewerbung stehen würde, mag man da schon gar nicht mehr hinterherschicken.

Der Versuch, ein Pferd zu besteigen und später den Kopf auf das Tier zu montieren, schlägt fehl und das ist leider wieder einmal eine Wiederholung. Wohlgemerkt: Eine Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt wäre für Pforzheim durchaus machbar, aber dazu müssten die finanziellen Rahmenumstände stimmen und vor allem die Gesellschaft mitgenommen werden. Frech gesagt: Das ist nicht nur die, die noch ein Theater- und Tageszeitungsabo hat.

Eine Google-Suche zeigt es eindrucksvoll, denn bei der Suche nach “Europäische Kulturhauptstadt Pforzheim” kommt auf Platz 1 auch heute noch eine einzige, klägliche Seite auf der Website der Stadt Pforzheim, die auf eine Präsentation im PDF-Format führt. Niemand erklärt von offizieller Seite oder von Seiten der privatwirtschaftlichen Initiative auch nach acht Monaten, um was es eigentlich genau geht und was man machen könnte, während andere Bewerber wie Nürnberg oder Magdeburg seit Monaten umfangreiche Websites und Werbekampagnen zu ihrer Bewerbung betreiben, um damit vor allem auch die eigene Stadtgesellschaft zu motivieren.

In Pforzheim? Fehlanzeige, bis heute. Dafür aber die Frage, wer denn die Bewerbungspräsentation halten soll, so als ob nicht klar wäre, dass die nur der Oberbürgermeister selbst halten könne. Aber selbst das erfährt man nur aus der Tagespresse in einem kleinen Absatz.

Große gesellschaftliche Herausforderungen funktionieren schon seit Jahren nicht mehr auf “bewährte” Weise des Top-down-Ansatzes von politischer Führung nach gesellschaftlicher Basis. Zweckdienlich wäre es daher, dass nach einem Ende der Bewerbungsinitiativen Pforzheims einmal die grundsätzliche Frage geklärt würde, warum man den Fehler, die Gesellschaft nicht mehr erreichen zu wollen, wieder und wieder begeht, so als ob es keine Politikerverdrossenheit gäbe.

Ist Kultur schlecht?

Nein, keinesfalls – Kultur ist gut und wichtig, vor allem für eine Stadt wie Pforzheim, die immer noch auf der Suche nach einer neuen Identität jenseits der Goldstadt ist und sich damit immer noch schwertut.

Es wäre aber der Sache und vor allem der Finanzlage angemessen, sich zu überlegen, ob kleinere Brötchen nicht vielleicht mehr identitätsstiftend sein können, als das größte und teuerste Laib Brot. Nur wenn hinter einer Identität auch die Gesellschaft in Gänze stehen kann, ist die Identität auch gelungen.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.