„Nichts ist wie es scheint“

Dr. Michael Butter im Studium Generale der Hochschule Pforzheim (Foto: Hochschule Pforzheim)

Renommierter Amerikanist Dr. Michael Butter begeistert das Publikum an der Hochschule Pforzheim mit Vortrag über Verschwörungstheorien.

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Im bis auf den letzten Platz gefüllten Walter-Witzenmann-Hörsaal (Audimax) der Hochschule Pforzheim hat mit dem Tübinger Professor Dr. Michael Butter am Mittwoch, 9. Oktober, einer der renommiertesten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Verschwörungstheorien seine Visitenkarte in Pforzheim abgegeben. Die wissenschaftliche Leiterin, Dr. Christa Wehner, Professorin für Marktforschung und Konsumentenpsychologie an der Hochschule Pforzheim, begrüßte Butter und stellte ihn und sein Forschungsthema vor. Der gebürtige Münchner, Jahrgang 1977, ist seit 2014 Professor für amerikanische Literatur und Kulturgeschichte an der Universität Tübingen. Sein Spezialgebiet: Verschwörungstheorien.

Unter dem Titel „Die Mär vom ‚Großen Austausch‘: Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus“ erklärte er, was Verschwörungstheorien sind, wie sie benutzt und missbraucht werden und spannte den Bogen zum Populismus. Dabei machte er deutlich, dass es mehrere Formen von Verschwörungstheorien gebe; explizite wie implizite. Zu Beginn stellte er eine klare Definition vor. Verschwörungstheorien zeichneten sich durch drei wesentliche Kennzeichen aus: „Nichts geschieht durch Zufall. Alles ist miteinander verbunden. Und: Nichts ist wie es scheint.“ Dabei seien die Motive, warum Menschen an Verschwörungstheorien glaubten oder diese verbreiteten, ganz unterschiedlich. „Verschwörungstheorien machen den Menschen durchaus ein umfangreiches Sinn- und Erklärungsangebot. Außerdem stellen sie die menschliche Handlungsfähigkeit auf den Verlauf der Geschichte überhöht in den Vordergrund. Es gibt demnach keinen Zufall“, erläuterte Butter. Damit verbunden sei allerdings auch ein gewisser Optimismus, da es zwar stets „fünf vor zwölf“ sei, aber eben nie zu spät. Verschwörungstheorien dienten aber auch dazu, Schuldige für etwas ausmachen zu können. „

Verschwörungstheorien am Beispiel von Donald Trump

US-Präsident Donald Trump etwa setze seit Beginn des Wahlkampfes vor seiner Präsidentschaft bis heute ganz gezielt auf verschwörungstheoretische Rhetorik. „Sie müssen bedenken, dass es in Verschwörungstheorien meistens darum geht, wer die Macht hat“, so Butter. Befragungen hätten zudem ergeben, dass die Anhänger Trumps empfänglicher für Verschwörungstheorien seien als die Anhänger der anderen damaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Trump agiere sehr implizit. „Er macht das sehr geschickt. Er bedient fast immer nur Gerüchte“, so Butter. Er liefere aber keine Belege. Trump habe nur etwas Bestimmtes gehört. „So kann er sich immer rausreden, dass er das ja nicht explizit behauptet hat“, erklärte Butter. Auf diese Weise habe Trump die Theorie einer Weltverschwörung zwischen Hillary Clinton und den Banken verbreitet.

Gerade in den USA hätten Verschwörungstheorien eine lange Tradition. Aber nicht nur dort. „Auch Churchill war Verschwörungstheoretiker. Oder denken sie an Thomas Mann. Der machte die Illuminaten für den 1. Weltkrieg verantwortlich.“ Seit durch den Syrienkrieg mehr Flüchtlinge in die Bundesrepublik kamen, kursierte im Netz die Theorie vom „Großen Austausch“. Ihre Anhänger behaupten, Deutschland solle von einer globalen Finanzoligarchie durch die „Migrationswaffe“, wie sie es nennen, ausgeschaltet werden. Andere behaupten, so berichtete Butter, zwischen den USA und Russland wollten externe Kräfte einen muslimischen Pufferstaat errichten. Früher seien solche Behauptungen und Theorien oft isoliert geblieben. „Heute gehen die Leute ins Internet und erreichen so mehr Leute, die an so etwas glauben.“

Männer neigen offenbar mehr zu Verschwörungstheorien als Frauen

Anhand der Beispiele Alice Weidel, Eva Herman und Viktor Orbán zeigte Butter auf, wie sich Rechtspopulisten verschiedenster Verschwörungstheorien bedienten. Zwar hätte es solche Phänomene im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien schon immer gegeben. Das Internet habe aber eine verstärkende Wirkung. Interessanter Aspekt hierbei: Männer neigen offenbar mehr zu Verschwörungstheorien als Frauen. Nachzulesen ist dies auch in Butters Werk über Verschwörungstheorien „Nichts ist, wie es scheint“, das im vergangenen Jahr im Suhrkamp-Verlag erschienen ist.

Wie sehr das Thema den Nerv des Publikums traf, zeigten die vielen Nachfragen sowie der langanhaltende Applaus nach Butters Vortrag. Im Anschluss stand Butter für Gespräche mit dem Publikum zur Verfügung und signierte sein Buch.

Quelle(n): pm

Besim Karadeniz
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