Der Gemeinderat verspielt Vertrauen in die Finanzen der Stadt durch Wahlgeschenke und Klientelpolitik.
(Lesezeit: 4 Minuten)Es sind erstaunliche Nachrichten, die allesamt mit Geld zu tun haben. Während der Gemeinderat in der letzten Woche entschieden hat, einfach mal einen Teil der Grundsteuern für Besitzer von Grundstücken zukünftig vom Stadtsäckel zu bezahlen, muss das regionale Demokratiezentrum in Pforzheim mangels Landesförderung im nächsten Jahr die Türen schließen. Während ersteres die Stadt nun zukünftig jedes Jahr rund 7,5 Millionen Euro kostet beziehungsweise im Stadtsäckel fehlt, ist für solche Sachen wie Demokratieberatung schlicht kein Geld verfügbar.
Und so hört sich in der feierlichen Weihnachtsansprache von Oberbürgermeister Peter Boch das mit den Finanzen ziemlich schal an. Einerseits müssten Kommunen und Städte etwas umsetzen „was komplett an der Lebensrealität unserer Bürgerinnen und Bürger vorbeigeht“ und er dies als „hochgradig ungerecht“ empfindet, weshalb man „müssen damit zwar schmerzhafte Einnahmeverluste von 7,5 Millionen Euro jährlich hinnehmen“ müsse. Andererseits freut sich Boch zwei Absätze weiter über „zusätzliche Einnahmen von rund 100 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren“, die durch den Zensus und der angepassten Bevölkerungsverteilung im Land fällig wird. Also demnach 100 Millionen Euro minus 30 Millionen, auf die die Stadt für ihre Art der Grundsteuerreform wiederum verzichtet. Wir ham’s ja dicke.
Über die Ungerechtigkeit der Grundsteuer
Dabei ist die Grundsteuer eine ziemlich ehrliche Steuer für eine Kommune, weil sie unmittelbar Steuergeld einsammelt für genau die Aufgaben, die eine Kommune in Sachen Infrastruktur zu erledigen hat. Die bisherige Berechnungsweise für die Grundsteuer hat insbesondere in so Städten wie Pforzheim dafür gesorgt, dass Grundstücke in den Stadtteilen, die in den letzten 50 bis 80 Jahren noch gar nicht erschlossen waren, geradezu spottbillig im grundsteuerlichen Unterhalt waren. War das gerecht? Ziemlich klar: Nein.
Die neue Berechnungsweise geht nun vom Bodenrichtwert aus und hat eine deutlich realistischere Grundlage. Denn nun sind Grundstücke in den gehobeneren Lagen deutlich näher am Preis, der realistisch dafür ist. Und: Besitzer von Grundstücken, die nicht bebaut sind, sind spürbar teurer als bebaute Grundstücke, die 30 Prozent weniger Grundsteuer kosten, als unbebaute. Auch das ist gerecht in einer Stadt, die seit Jahren einen starken Bevölkerungszuwachs hat und der bezahlbarer Wohnraum fehlt.
Sicherlich kann man über Details und Härtefälle der Grundsteuerreform diskutieren, aber hier ist doch dann bitte zu beachten, dass es das Land Baden-Württemberg ist, das diese Reform zu verantworten hat und nicht die Kommunen. Steuergelder der Kommunen sollten nicht dazu verwendet werden, Steuern des Landes damit zu bezahlen.
Zusammenfassend kann man daher sagen, dass die „Pforzheimer Anpassung“ des Grundsteuerhebesatzes so gar nichts mit mitfühlender Vorsorge im Vorfeld einer angeblich ungerechten Grundsteuerreform zu tun hat. Vielmehr ist es so, dass auf plumpe Weise der Großteil des AfD/CDU-geführten Gemeinderates einen beherzten Griff in den Stadtsäckel organisiert hat, um zu einen offenkundig die eigene Klientel zu beglücken und gleichzeitig dem Oberbürgermeister ein mögliches Negativthema in seinem bevorstehenden Wahlkampf abzuräumen.
Solide Finanz- und Sozialpolitik sieht anders aus. Und bei richtiger Erklärung versteht das auch der Bürger.