Die Politik muss die Jugend ernst nehmen statt nur zu kritisieren, Herr Papesch

Paul Renner (Foto: privat)

Ein weiterer Gastbeitrag von Paul Renner, Europakandidat der SPD Pforzheim/Enzkreis, auf unseren Dialog mit Roland Papesch.

(Lesezeit: 4 Minuten)

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Auf die Antwort von Roland Papesch, Europakandidat der FDP Pforzheim/Enzkreis auf unseren Offenen Brief an ihn erreichte uns von Paul Renner eine weitere Meinung zu den Fridays-for-Future Demonstrationen. Paul Renner ist Europakandidat für die SPD Pforzheim/Enzkreis.

Sehr geehrter Herr Papesch,

Demonstrationen nach dem Schulunterricht oder am Wochenende? In welcher Welt leben Sie? Haben Sie schon Warnstreiks oder Arbeitsniederlegungen nach der Arbeitszeit oder ausschließlich am Wochenende erlebt? Arbeitsniederlegungen und Streiks machen dann Sinn, wenn man die Aufmerksamkeit auf die Sache und die damit verbundenen Ziele lenkt. So machen es auch die Fridays for Future-Demonstrierenden. Dass die Schulpflicht dabei selbstverständlich auch gilt, ist keine Frage.

Doch gerade unsere Schulen haben den Auftrag, die Kinder und Jugendlichen dazu zu bringen, sich einzumischen, etwas bewegen und verändern zu wollen und der Politik den Spiegel vorzuhalten. Daher kann man den Schülerinnen und Schülern keine Vorwürfe machen. Die Politik muss darauf Antworten finden. Mit dem Entwurf des Bundes-Klimaschutzgesetz und die Bildung eines „Klimakabinetts“ hat die SPD erste Vorstöße unternommen, Klima- und Umweltschutz auf die vorderen Plätze der politischen Agenda zu setzen.

Es muss mehr in erneuerbare Energien investiert werden, Subventionen für fossile Energieerzeugung müssen abgeschafft werden, Plastik muss konsequent aus unserem Leben verschwinden und zu guter Letzt braucht es eine Mobilitätswende. Das sind alles Themen, die junge Leute umtreibt. Die Behauptung, dass zu selten Lösungen vorgeschlagen werden, Ängste geschürt werden oder Unwahrheiten erzählt werden, teile ich in keiner Weise. Es liegen mehr als genug konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die leider zu oft von konservativen Kräften und mächtigen Lobbyverbänden gebremst werden.

Mit meinen 25 Jahren zähle ich zu der Genration Y. Mit meiner Nachfolgegeneration, der Generation Z, wächst eine durchaus selbstbewusstere und entscheidungsfreudigere Generation heran, die sich vor allem politisch wieder stärker interessiert und sich mehr einmischen möchte als die Generation Y. Die Demonstrationen sind Ausdruck einer massiven Beziehungsstörung zwischen der etablierten Politik und der Jugendlichen der Generation Z. So sehen Politiker in der Generation wenig Wählerpotenzial, wissen oft nicht viel über ihre Themen und kommen kaum in Kontakt mit diesen. Die Reaktionen von konservativen und neoliberalen Politikern und Parteien auf die „Fridays for Future (FFF)“-Demonstrationen sind Sinnbild dieser diametralen Wahrnehmung voneinander.

Für die Jugendlichen ist es nicht mehr so wichtig, einen möglichst ausgezeichneten Schulabschluss mit Bestnoten zu haben. Für sie ist wichtiger, sich sozial zu engagieren, für eine ökologische Wende zu kämpfen oder sich politisch zu engagieren. Immer besser, immer schneller und alles immer noch mehr zu optimieren, ist für viele nicht mehr das alleinige Ziel. Mit großem jugendlichem Idealismus wollen sie die Welt verbessern. Dadurch, dass sie alle Digital Natives sind, lassen sich dank Facebook oder WhatsApp binnen weniger Sekunden Demonstrationen oder ähnliches organisieren.

Wir sollten stolz darauf sein, was für eine Generation in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt heranwächst. Jeden Freitag gehen tausende Kinder und Jugendliche für eine nachhaltigere und generationengerechtere Politik auf die Straßen. Konsequent wäre es, wenn die Politik ernsthaft auf die Bedürfnisse und Anliegen dieser Generation eingeht, und das Wahlalter auf 16 Jahre herabsenkt – bei allen parlamentarischen Wahlen. Die FFF-Demonstrierenden wollen gehört und ernst genommen werden und nicht von (neo-)liberalen und konservativen Politik-Eliten bevormundet und für vermeintliches „Schule schwänzen“ gerügt werden.

Ohne Bildung ist alles nichts, aber Bildung alleine ist nicht alles. Bürgerschaftliches Engagement und Leben von Demokratie sind mindestens genauso wichtig wie Mathematik, Physik oder Chemie. Daher sollten wir uns alle gemeinsam den drängenden Fragen unserer Zeit widmen: Globalisierung, Strukturwandel der Produktion, Digitalisierung, Armut und Klimawandel.

Besim Karadeniz
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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen und ist zuständig für den Kontakt zu Partnern und Autoren.