Aus dem Auge – aus dem Sinn?

Demonstration der Initiative gegen Rechts am 23. Februar 2022

Wie der Gedenktag des 23. Februars in Pforzheim zukünftig offenkundig nur noch mit Scheuklappen begangen werden soll.

(Lesezeit: 4 Minuten)

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Der 23. Februar ist in Pforzheim kein Spaß. Das war es 1945 nicht und auch nicht an den Gedenktagen zu diesem Schicksalstag danach. Neben den offiziellen Veranstaltungen, zu denen die öffentliche Kundgebung in der Innenstadt erst seit einigen Jahren gehört, gibt es auch eine Reihe von Veranstaltungen und auch Demonstrationen. Zu letzteren gehört die „Fackelmahnwache“ einer rechtsextremen Gruppierung und eine Gegendemonstration unter der Federführung der Initiative gegen Rechts in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Parteien, Gewerkschaften und Organisationen.

Es gehörte zum guten Ton der vergangenen Jahren, die Demonstration der Initiative gegen Rechts kommunikativ breit in das Gedenken zu integrieren, was 2023 durch eine Erwähnung der Demonstration im offiziellen Programm der Stadt zum 23. Februar hätte gezeigt werden können. Auch deshalb, weil diese Demonstration ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus ist und von vielen Teilnehmern quer aus dem Parteienspektrum unterstützt wird. Ein Zeichen der Bürgerschaft als Ergänzung zu den üblichen Reden und Veranstaltungen an diesem Tag.

Dass diese friedliche Demonstration nun doch nicht im offiziellen Programm der Stadt zum 23. Februar erwähnt werden soll, geschieht auf Antrag der FDP-Fraktion. Also Fraktion der Partei, die die Begriffe „Freiheit“ und „Demokratie“ sogar direkt im Parteinamen hat. Hier hat man sich offenkundig den Umstand gegriffen, dass die Demonstration der Initiative ursprünglich – so wie in den Vorjahren – am Platz der Synagoge beginnen sollte. Da aber sollen gemäß eines Begehrens des Gemeinderates zukünftig keine Demonstrationen mehr stattfinden. Und obwohl die Initiative gegen Rechts hier signalisiert hatte, ihre Demonstration vom Waisenhausplatz beginnen zu lassen, wurde der Antrag von der FDP-Fraktion nicht zurückgezogen und durchlief Ausschuss und Gemeinderat.

Ein „Glück“ für alle Demokratiefeinde

Ihr Glück kaum fassen werden nun die Demokratiefeinde. Denn deren Ziel ist es, einen möglichst dicken Keil zwischen die demokratischen Kräfte zu schlagen. Dazu braucht es nun deutlich weniger Anstrengung mehr von Seiten der Extremisten, weil das die demokratischen Kräfte nun vollständig selbst übernehmen. Der bereits seit Jahren schwelende „Kulturkampf“, dass auch die Demonstration der Initiative gegen Rechts „irgendwie radikal“ sein könnte, weil einzelne Personen bei ihrem Protest am Endpunkt auf dem Wallberg nicht friedlich bleiben wollen, erzeugt nun den maximal erzeugbaren Schaden. Nicht nur für die Initiative, sondern auch für die Stadt.

Schon seit vielen Monaten ist zu beobachten, dass der rechte Protest vor allem in Pforzheim deutlich Fuß fasst. Und auch die „Fackelmahnwache“ erreichte 2021 einen neuen Höhepunkt dadurch, dass dieser erstmals direkt am Wallberg stattfinden durfte. Also ausgerechnet auf dem Berg, der wie kein anderes Mahnmal in der Stadt für das Elend des Zweiten Weltkriegs in Pforzheim steht.

Auch wenn die Nichtaufnahme der Demonstration der Initiative in das städtische Programm letztlich buchstäblich eine Sache auf dem Papier darstellt – das Signal an die Bürgerschaft ist fatal. Das Wegschauen wird zur städtischen Kommunikationslinie erklärt.

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Besim Karadeniz (bka), Jahrgang 1975, ist Autor und Erfinder von PF-BITS seit 2016. Er ist beruflich selbstständiger Web-Berater und -Entwickler. Neben PF-BITS betreut er mehrere weitere Online-Projekte und kann auf einen inzwischen über 25-jährigen Online-Erfahrungsschatz zurückblicken. Neben der technischen Betreuung von PF-BITS schreibt er regelmäßig Artikel und Kolumnen.