Hat die Stadt beim Verzicht auf Vorkaufsrecht den Gemeinderat übergangen?

Ehemaliges Bader-Versandzentrum im Brötzinger Tal

Rülke wirft Boch "Verheimlichung" aufgrund der Ausstellung eines Negativzeugnisses zum Grundstücksverkauf des Bader-Geländes vor.

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Die Diskussion um die mögliche Ansiedlung einer Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete ist um eine Fragwürdigkeit reicher. So hat die Stadtverwaltung Pforzheim offenbar bereits am 4. Januar 2023 ein so genanntes Negativzeugnis zu einem Eigentümerwechsels des Grundstückes ausgestellt, wie Landtagsabgeordneter Hans-Ulrich Rülke (FDP) im Rahmen einer Parlamentarischen Initiative am 16. Februar von der Landesregierung erfragt hat. Die Ausstellung dieses Negativzeugnisses trifft sich zeitlich mit dem Umstand, dass die Stadtverwaltung damals in einer Mitteilung konstatierte, dass die Stadt kein Vorkaufsrecht geltend machen könne.

Was ist ein Negativzeugnis?
Ein Negativzeugnis ist eine Bestätigung der Kommune beim Eigentümerwechsel eines Grundstücks. Es bestätigt, dass die Kommune kein Vorkaufsrecht auf das betreffende Grundstück hat oder es nicht wahrnehmen wird. Erst nach Vorlage eines solchen Negativzeugnisses kann der Eigentümerwechsel im Grundbuch verzeichnet werden.

„Ich habe danach gefragt, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um einem Käufer zuzusichern, dass die Stadt kein Vorkaufsrecht zieht und ob das im Fall der Bader-Immobilie, in die die CDU eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge machen will, vonseiten der Stadt bescheinigt wurde“, so Rülke. Irritiert sei er nun, dass die Stadt bereits am 4. Januar ein solches Negativzeugnis ausgestellt habe, dies aber im Zuge der Diskussion um das Vorkaufsrecht mit keinem Ton erwähnt wurde. „Ganz offensichtlich“ wolle OB Boch verschweigen, dass er bereits auf einen potenziellen Kauf verzichtet habe , als er gerade erst die Pläne von ihm, Boch, und CDU-Staatssekretär Siegfried Lorek vorgestellt hatte, die Pforzheimer Bevölkerung „mit einer LEA beglücken zu wollen“. Hinter dem Rücken des Gemeinderates und noch bevor das Thema auch nur andiskutiert worden sei, so Rülke. „Zählt man eins und eins zusammen, kann das nur bedeuten, dass er es verheimlichen wollte und erst als er durch meine parlamentarische Initiative unter Druck kam, nun damit rausrückt.“

Denn die Verwaltungsvorlage zur Erstaufnahmeeinrichtung, in der die Anträge der FDP-Gemeinderatsfraktion sowie der Grüne Liste-Fraktion zur Verhinderung der Erstaufnahmeeinrichtung mit den Mitteln des Vorkaufs- sowie Bauplanungsrechts aufgegriffen seien, sowie das Negativzeugnis erwähnt werde, datiere auf den 23. Februar. „Meine Anfrage, ob die Stadt bereits von sich aus, ohne Befassung des Gemeinderats auf das Vorkaufsrecht verzichtet hat, lag da also schon auf dem Schreibtisch des OBs und nächste Woche wäre er überführt gewesen“, so Rülke. „Offensichtlich“ habe Boch es bevorzugt, das nun in die Verwaltungsvorlage zu schreiben, in der Hoffnung, dass das niemandem auffalle, so Rülke. Als Abgeordneter und Stadtrat erwarte Rülke, dass solche Informationen sofort für den kompletten Gemeinderat zur Verfügung stehen sollten „und nicht erst, wenn jemand der Sache auf den Grund geht und die Verwaltung aufzufliegen droht. Es hätte einige Diskussionen und Mittel erspart, hätte er sofort zugegeben, dass er bereits verzichtet hat.“

Rülke sieht Vertrauensfrage

Überdies stelle sich in dieser ganzen Angelegenheit nicht nur die Vertrauensfrage im Raum, so Rülke, sondern auch ein „erheblicher potenzieller Schaden“, der die Finanzen der Stadt betreffe. „Man stelle sich vor, der Gemeinderat hätte über das Vorkaufsrecht die Immobilie gekauft, um sie anderweitig zu entwickeln, wird aber vom Land final doch zu einer Erstaufnahmestelle gezwungen. Dann stünde ein Kaufpreis von dem Vernehmen nach ca. 5,5 Millionen Euro gegen die finanzielle Entschädigung des Landes für die Miete. Geht man von 1.000 Personen zu 25 Euro am Tag zu 365 Tagen im Jahr aus, wären das neun Millionen Euro. Bei dreifacher Überbelegung wie in Sigmaringen stünden 27 Millionen Jahresmiete im Raum. Das ist nun nicht mehr möglich, obwohl das Justizministerium in Sachen Vorkaufsrecht zu einer anderen Rechtsauffassung gelangt ist. Aber da hatte man es schon ohne Not aus der Hand gegeben, nachdem man dieses drei Monate lang geltend machen hätte können.“

Quelle(n): pm

Besim Karadeniz
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